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Augmented Reality

02.08.2013 06:45

Erweiterte Realitätsverweigerung

Augmented Reality in Printprodukten könnte sich wohltuend auf die Bilanzen der Verlage auswirken. Damit das klappt, müssen Verlage die Tools aber wesentlich breiter einsetzen und den Leser langsam daran gewöhnen.

Augmented Reality sorgt auch schon mal für etwas schmudellige Fantasien. Zumindest bei den Lesern der New Yorker Zeitung “Metro” Ende Mai. Da veröffentlichte die Gratiszeitung ihre jährliche „Sex issue“. Der Leser wählte aus rund 40 Promis, mit wem er gerne das Bett teilen wolle. Dazu scannte er die AR-Anwendung von Blippar im Artikel und wählte sein Objekt der Begierde. Das Ergebnis des Votings wurde gleich mitgeliefert.

Der Hamburger Bauer Verlag bietet eine andere Art der „Welt der Wunder“ - mit eben dieser Zeitschrift. Hier sorgt Augmented Reality für eher wirtschaftliche Erregung mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Die Publikation ist mit ihren populär-wissenschaftlichen Inhalten prädestiniert für die neuen Anwendungen und integriert Videos, 3D-Modelle, 360°-Panoramen und Bildergalerien. Die Möglichkeiten hatte Marco Sott, Mitglied der Geschäftsleitung bei Bauer Advertising, vergleichsweise früh erkannt. Heute sieht er sich der Konkurrenz voraus: „Da wir als erster Vermarkter weltweit diese Funktionalität regelmäßig in unsere Hefte integriert haben, haben wir mittlerweile empirische Daten aus über drei Jahren zur Verfügung. Die Nachfrage liegt deutlich über den Einschätzungen.“ Bei Lesern und Werbekunden der Zeitschrift, darunter Schwergewichte wie Procter&Gamble und Intel, ist die Nachfrage nach Zusatzcontent vorhanden, Augmented Reality akzeptiert und wird noch dazu vom Smartphone-Boom getrieben.

Die Musterknaben

Bauer betrachtete die Add-Ons nie als Gimmick. Es war das erklärte Ziel, mit AR-Anwendungen die Leser-Blatt-Bindung zu stärken und einen monetären Mehrwert über Anzeigenwerbung zu erwirtschaften. Die ganze Seite Inserat kann mit einem Aufschlag zwischen 3000 und 4000 Euro mit interaktiven Inhalten über die Ad+View-Funktion aufgerüstet werden. „Wir sehen Augmented Reality als einen von vielen Bausteinen für die positive Entwicklung unserer Medienmarken“, erklärt Sott. Die „Welt der Wunder“ nutzt Augmented Reality über den Junaio-Channel des Münchner Softwareanbieters Metaio: „Unser Ziel ist es immer, die Partnerschaft zu einem Kunden längerfristig anzulegen“, erklärt Marcel Thiesen, Business Development Manager und Printspezialist bei Metaio. Das AR-Szenario soll den Leser überraschen und Mehrwert bieten. Thiesen schränkt aber auch ein: „One-Shot-Aktionen können wir nicht empfehlen. Damit erreiche ich für kurze Zeit Aufmerksamkeit, doch danach ebbt das Interesse ab. Die Anwendung gerät beim User in Vergessenheit“.

Auch Burda Media nutzt die erweiterte Wirklichkeit der Lektüre regelmäßig. Die Coverstory des Verlagstitels “Fashion” wird mit Augmented Reality-Inhalten hinterlegt und die Leser können zusätzlich zur Fotostrecke eines Models das Making-off des Shootings als Video anschauen. 

U-Bahn-Welten

Die New Yorker “Metro” ist für weitaus mehr gut als für Horizontalphantasien des U-Bahn-Nutzers mit Stars. “Metro” hat Aktionen umgesetzt, um Videos, Gutscheine, Online Shopping und mehr zu ihren Lesern und Werbern zu bringen. Kunden sind zum Beispiel Filmstudios, die neben der Anzeigenwerbung zusätzliche redaktionelle Angebote zum Film wie Trailer und Interviews zeigen sowie zu Computerspielen führen, die mit dem Film zusammenhängen. Auch im Kleinanzeigenbereich sieht die Gratis-Postille Chancen, Händler locken mit digitalen Coupons Laufkundschaft ins Geschäft. In der Immobilienbranche sind AR-Anwendungen für virtuelle Wohnungsbesichtigungen prädestiniert. Robert Edmunds, Digitaldirektor bei “Metro”, findet dabei die Funktion von AR als Türöffner wichtig. Werbekunden, die einen sonst abwimmeln würden, sind durchaus neugierig auf die „neuen“ Anzeigenformate.

QR-Code unkaputtbar

Neben der Zielgruppenaffinität ist der Newsfaktor einer der großen Pluspunkte von AR. „Mit Augmented Reality kann ich dafür sorgen, dass Informationen von hoher Aktualität sind. Wie beim Online-Journalismus auch können Inhalte mit einfachen Handgriffen auf den neuesten Stand gebracht werden“, erklärt Metaio-Experte Thiesen. „Der Vorteil zum QR-Code ist, dass auch nach dem Drucken Inhalte verändert werden können. Ich kann meinen zu hinterlegenden Content kurzfristig ändern.“ Ein Beispiel, bei dem es auf Aktualität besonders ankommt, ist etwa ein Sportmagazin. Zwischen dem Redaktionsschluss und dem nächsten Bundesliga-Spieltag passiert so einiges: Spieler verletzen sich, wechseln den Verein oder landen in den Schlagzeilen. Dann hat das Magazin die Möglichkeit, einen AR-Marker hinzuzufügen. Der Leser scannt diesen und kann die aktuelle Ankündigung des Spieltags in der App lesen. Damit ist gewährleistet, dass die Redaktion topaktuelle Informationen liefert und ihre Kompetenz unter Beweis stellen kann.

Der QR-Code hält sich bei allem technologischen Fortschritt wie das berühmte Unkraut im Garten. Das hat seinen Grund, gibt Thiesen neidlos zu und erklärt, woran AR in der öffentlichen Wahrnehmung noch arbeiten muss. „Der QR-Code ist bereits einer großen Masse bekannt und die Nutzer wissen, dass dieser scanbar ist und Informationen auf einer Website hinterlegt sind.“ Viele Nutzer suchen aber noch nicht proaktiv nach AR-Inhalten. Die Printindustrie muss ihm das Handling erst erklären. Durch die immer breitere AR-Präsenz ändert sich das natürlich langsam, bei Metaio arbeitet Thiesen daran: „Wir haben erst vor kurzem ein neues AR-Standard-Logo eingeführt, das es Entwicklern möglich macht, ihre AR-Anwendungen zu kennzeichnen. Dieses Logo ist frei verfügbar und wir hoffen, dass es irgendwann zu einem echten Icon wird, das Nutzer sofort wiedererkennen und wissen, dass sich dahinter Augmented Reality verbirgt.“ Die erweiterte Realität, sie ist oft eben noch immer eine verborgene.

Ingo Woelk

(Printausgabe 5/2013)

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