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Silicon Valley

10.05.2014 09:41

Im Tal der Talente

Print-Journalisten waren sie. Startup-Gründer werden sie. Weil sie ihre Jobs bei renommierten Zeitungshäusern und Magazinen frustrierten, zieht es Ex-Journalisten ins kalifornische Silicon Valley, um digitale Medienmodelle auszuprobieren. Das nötige Kapital dafür muss auch schon mal in einem TV-Quiz erspielt werden.

Kalifornien. Garage. Startup. Das Klischee lebt. In einer ehemaligen Garage also in San Franciscos Start-up-Bezirk ist das Inkubationsprogramm Matter.vc angesiedelt. Befeuert von der Idee, Jungunternehmer, die neue Lösungen für Medien bauen, zu unterstützen, holt Betreiber Cory Ford für jeweils drei Monate Gründer in das Programm. Dort arbeiten die Startups intensiv an ihrer Idee, und präsentieren sie vor Investoren und Medienunternehmern. Ford wählt dafür keine redaktionellen Neuheiten aus, sondern „Technologien, die Medien helfen, ihr Geschäft zu erweitern.“

Frustriert

Einer der Absolventen des jüngsten Matter.vc-Durchgangs ist Ryan Singel.  Weil der Journalist vom Redaktionssystem seines ehemaligen Arbeitgebers, dem Tech-Magazin Wired, frustriert war, baute er seine eigene Lösung.  Contextly zeigt Nutzern auf der Website weiterführende Links an. Das Konzept ist an sich nichts Neues, Gründer Singel verspricht seinen Kunden allerdings langfristige Leserbindung. Sein großer Mitbewerb heisst Outbrain, im deutschsprachigen Raum ist Plista ein bekannter Anbieter von Empfehlungslinks. Diese beiden finanzieren sich durch Werbung, die in den weiterführenden Links eingestreut sind. Singel hingegen verlangt für seine Software eine Nutzungsgebühr.

„Ein Tool von Journalisten für Journalisten“, bezeichnet der seine Lösung. „Wir wollen die Absprungrate auf den Websites verringern und den Leser mit mehr Inhalten in Verbindung bringen. Das bringt anfangs zwar kein Geld, aber langfristig bedeutet mehr Leserbindung auch mehr Werbeeinnahmen“, betont Singel. Zudem könne man via Contextly eigene Produkte und Angebote bewerben, wie etwa Bezahlinhalte oder Email-Listen. Profitabel war Contextly mit seinem Service bereits, bevor er das Start-up-Programm Matter.vc absolvierte. Jetzt ist das Unternehmen dabei, große Verlage als Kunden zu akquirieren. 

Jeopardy-Glück

Ein Gewinn von 30.000 US-Dollar bei der TV-Quiz-Show Jeopardy verschaffte Glenn Fleishman den finanziellen Polster für eine radikale berufliche Veränderung. Der in Seattle lebende Journalist arbeitete jahrzehntelang für Printmedien: für die New York Times, den Economist, Wired und unzählige weitere Magazine. „Es war Zeit für Abwechslung“, blickt Fleishman zurück. Auf der Suche nach einem neuen Abenteuer entdeckte er „The Magazine“, ein iPad-Magazin mit Abo-Modell. Innerhalb weniger Ausgaben war die Zeitschrift laut Fleishman profitabel. Das Monatsabo kostet 1,99 US-Dollar, für das ganze Jahr zahlt der Leser 19,99 US-Dollar. Dem Unternehmen zufolge ist das genug, um die Produktion zu finanzieren und freien Autoren ein angemessenes Honorar auszuzahlen. Der Journalist bot sich dem Herausgeber Marco Arment als Chefredakteur an – und bekam Anfang 2013 den Job. Der Magazingründer selbst konzentrierte sich auf seine Software Instapaper, und entschied sich später, „The Magazine“ ganz abzugeben. Fleishman kaufte das junge Medium und agiert fortan als Herausgeber und Chefredakteur.

Nach seiner Übernahme hat Fleishman die Strategie des Magazins abgeändert. Zum Start war das Magazin nur für das Apple-Tablet verfügbar. „Der App Store war der einfachste Weg, als The Magazine launchte. Als die App neu war, haben wir innerhalb kurzer Zeit viele Leser angezogen.“

Mit der Zeit war es für die Herausgeber jedoch schwerer, das Momentum aufrechtzuerhalten, da Apple seinen Fokus auf den „Newsstand“, in dem Magazine zur Schau gestellt werden, reduzierte. „Deshalb musste ich nach anderen Methoden suchen, um The Magazine breiter zu streuen.“ So ist die Publikation mittlerweile nicht mehr nur am iPad verfügbar, sondern kann gegen eine Gebühr auch online gelesen werden.

Huch, ein Buch

Ein weiterer Weg, um an frisches Geld zu kommen, war der Launch einer Kickstarter-Kampagne für ein „The Magazine“-Buch. „Wenn man etwas in Print und Digital anbietet, triffst du die Leser auf allen Kanälen, auf denen sie sein wollen.“ Die Crowd-Finanzierung war erfolgreich, Fleishman stellt gerade die Hardcover-Bücher fertig. Die Kampagne hatte auch für die elektronische Version  einen angenehmen Nebeneffekt: „Wir haben auch Online-Abonnenten dadurch akquiriert.“ Haupteinnahmequelle ist für das junge Medienunternehmen jedoch weiterhin die Präsenz auf Apples iTunes. „Meine Plan ist es, den Verkauf einzelner Ausgaben voranzutreiben und alles in Formate zu packen, die auch von Nutzern konsumiert werden, die kein Abo kaufen würden.“

Nur gegen Bares

Die ehemalige Wall Street Journal-Redakteurin Jessica Lessin sah indes in Tech-Medien eine große Lücke: „Es gibt kaum investigativen, tiefen, hintergründigen Journalismus über das Silicon Valley.“ Ende 2013 beschloss sie deshalb, ihr eigenes Portal zu starten: The Information. Die Nachrichtenplattform ist nur kostenpflichtig konsumierbar. Für einen Monatszugang zahlen Leser 39 US-Dollar, für das gesamte Jahr 399 US-Dollar. Im Gegensatz zu Fleishman hat Lessin keine Pläne, auf ein sogenanntes Freemium-Modell umzustellen: „Wir müssen uns auf eine Sache konzentrieren. Sobald wir einen Teil der Inhalte kostenlos anbieten würden, müssten wir zwei Zielgruppen bedienen.“

Für ihr Bezahlmedium hofft Lessin jedenfalls ein zahlkräftiges Publikum zu finden: „Investoren und Unternehmer“ will sie damit erreichen. Wie viele  Kunden sie nach drei Monaten hat, verrät sie nicht. Derzeit arbeiten für das Medium acht Personen von San Francisco aus. Der Paid Content soll nicht das einzige Produkt von The Information bleiben: „Wir sehen uns auch andere Monetarisierungswege an.“ Einer davon könnten exklusive Events für Abonnenten sein. Derzeit sei Lessins Team jedoch noch mit dem weiteren Ausbau der News-Plattform beschäftigt.

Angeblich schnelles Geld

Wie Lessin glaubt auch The Magazine-Chefredakteur Fleishman, dass es nicht „das eine Geschäftsmodell“ für Medienhäuser und Verlage gibt. „Die Zukunft ist, alle möglichen Ansätze zu haben, um bestehende Inhalte an verschiedene Menschen auf verschiedenen Wegen zu übermitteln.“ Den Printmarkt bewertet er so: „Die Kosten für die Produktion sind gesunken. Und viele Leser wollen immer noch ein Papier in der Hand halten.“ Dem stimmt Neo-Unternehmer Ryan Singel zu: „Manche Geschichten und Bilder wirken einfach besser auf Papier.“

„Es ist eine spannende Zeit für Medien. In den letzten Monaten hat sich viel getan im Startup-Bereich“, beobachtet der Contextly-Gründer. Das haben auch die großen Medienhäuser bemerkt. Nachdem Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ein Jahr im Silicon Valley verbrachte, eröffnete Axel Springer im Dezember eine offizielle Repräsentanz des Verlagshauses an der US-Westküste. Die von Anton Waitz geleitete Investment-Unit machte Ende März seine erste Beteiligung bekannt: An Ozy, einem Digital-Magazin für Kulturthemen, hat  Axel Springer die Mehrheit übernommen. „Wir bekommen damit einen Partner mit umfassendem Wissen im Publishing-Bereich“, kommentiert Waitz das Investment. Es soll laut Singel ganz einfach sein, im Silicon Valley an das nötige Kapital zu kommen: „Sag', dass du ein Wirtschaftsmagazin für Millennials machst, und sie drücken dir das Geld in die Hand.“ 

Elisabeth Oberndorfer, San Francisco

Lesen Sie exklusiv in unserer Printausgabe 3/2014 unser Interview mt Kristine Shine, der neuen Chefin des San Francisco Chronicle. Die ehemalige Web-Unternehmerin soll das etwas angestaubte Zeitungshaus nun modernisieren. Im 4c-Interview spricht sie über ihre Pläne. 

 

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