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Verpackungsindustrie

12.10.2012 09:55

Im Zweifel für den Senior

Die Verpackungstechnik orientiert sich immer mehr an der Bevölkerungspyramide. Verpackungen werden für ältere Generationen geschaffen. Auch wenn jüngere Konsumenten das oft nicht so anziehend finden.

Age ExplorerEinfach mal alt sein: mit dem Age Explorer kann das Körpergefühl von älteren Menschen simuliert werden. Auch in der Verpackungsentwicklung kann die Simulation ein wertvolles Hilfsmittel sein. © Beigestellt

Es ist ein fast unentwirrbares Dilemma, vor dem Verpackungstechniker und Designer stehen: sie müssen bei ihren Entwürfen immer gezielter darauf achten, dass Verpackungen auch von Menschen jenseits der 60 Lebensjahre problemlos genutzt werden können. Gleichzeitig aber dürfen sie eben diese Verpackungen nicht als seniorengerecht proklamieren. Sie müssen das Design darauf abstimmen, dass ältere Menschen schnell die Funktionsweise einer Verpackung verstehen. Genau diese designerischen Kniffe wirken aber auf jüngere Konsumenten befremdlich, vielleicht sogar öd. Irgendwo zwischen diesen widerstrebenden Polen der Akzeptanz durch unterschiedliche Zielgruppen müssen sich Verpackungsingenieure durch lavieren.

Affront für die Älteren

Im Zweifel entscheidet sich die Verpackungsindustrie  für die Silberrückenfreundlichkeit der Verpackung, denn die Älteren sind oft kritischer und betrachten Schwierigkeiten beim Öffnen einer Verpackung als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Was jüngere Konsumenten einfach nur ärgert, kann sich für Ältere schon zum Affront auswachsen. „Das Öffnen und Wiederverschließen spielt neben der Lagerung und Entsorgung eine zentrale Rolle“, zählt Christof Schön, Marketingleiter bei Pawi Verpackungen im schweizerischen Winterthur die wesentlichen Kriterien auf. Oft sind es nicht einmal die technischen Kniffe, die dem Konsumenten den Umgang mit der Verpackung erleichtern, sondern einfach nur die grafische Gestaltung: „Das  Verpackungsdesign sollte die Anwendbarkeit gut kommunizieren. Das wird oft über die Grafik erreicht. Der Konsument muss ja die Verpackung sofort verstehen.“ Lösungen wie große Anfasslaschen, farbige Kennzeichnung der Öffnungen und leichtgängige Perforationen sind deshalb gefragt. Bei älteren Konsumenten spielt auch ein klares Schriftbild und eine eben solche Farbstruktur eine Rolle. Eine hochwertige Produktabbildung kommt ebenso gut an wie der direkte Blick über Klarsichtfolie auf das Produkt. Für jüngere Menschen dagegen sind Wiedererkennungseffekt und gut lesbare Informationen ebenso nachrangig wie leichtes Öffnen oder die  problemlose Produktentnahme. Dafür ist den Jüngeren die Attraktivität und Originalität der Verpackung am Wichtigsten. Ein echtes Problem für die Verpackungsingenieure: Originaliät und Attraktivität sind der Funktionalität von Behältnissen für gewöhnlich nicht besonders dienlich.

Das Plus der Handelsmarken

Am besten positioniert in diesem Widerstreit der Interessen werden künftig wohl nicht die traditionellen, sondern die Handelsmarken sein: „Die blinde Markentreue gibt es heute nicht mehr. Die heutigen jungen Alten gehören bereits der Discounter-Generation an, sie greifen immer wieder zu Handelsmarken oder zu Alternativen von Markenprodukten. Diese Entwicklung wird sich mit den nachfolgenden Generationen verstärken, die mit dem Discounter-System noch vertrauter sind“, erklärt der Markenforscher Gundolf Meyer-Hentschel, der mit seinem gleichnamigen Saarbrücker Institut seit 25 Jahren Designern und Marketing-Menschen näher zu bringen versucht, wie Senioren auf dem Konsumtrip ticken.

Von der Entwicklung können die Handelsmarken profitieren, die sich aktuell engagiert in der Verpackungsgestaltung zeigen. Meyer-Hentschel: „Zwischen Marken und Handelsmarken besteht ein Mentalitätsunterschied. Bei Marken wird häufig der Kontakt zum Kunden durch Marktforschung ersetzt. Handelsmarken handeln hier pragmatischer und ergebnisorientierter. Sie haben keinen engen Markenkern und dadurch flexibleren Handlungsspielraum. Das zeigt sich in den Verpackungsfunktionen und im Design.“

Schweigsame Drucker

Verpackungsdrucker zählen übrigens kaum zu den Kunden des Senioren-Experten Meyer-Hentschel. Bedauerlich, wie der selbstverständlich meint. „Vor einiger Zeit kam ein Kunde, der mit seiner Agentur seine Verpackung umgestaltet hatte. Es war eine Blisterverpackung, bei der die Schriftgestaltung eindeutig einen Rückschritt gemacht hatte. Hier hätte auch der Drucker sagen können: ‚Das sollte man anders umsetzen‘.“ Die meisten Drucker werden dieses Risiko wohl scheuen. Schade eigentlich. Nicht nur für die Senioren. 

Ingo Woelk

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Buchtipp
Für Grafiker und Drucker gibt es ein sehr anschauliches Buch von Petra Breuer "Visuelle Kommunikation für Menschen mit Demenz", erschienen im Verlag Hans Huber. Lassen Sie sich vom Titel nicht irritieren, das Buch beschreibt auch sehr gut die reinen physiologischen Effekte des Alterns, wie die veränderte Farbwahrnehmung. Hierzu sind dem Buch sogar spezielle Folien beigelegt, welche die Selbsterfahrung des Sehens im Alter ermöglichen.

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