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18.02.2016 07:30Abgeflacht
Eine Hamburger Druckerei hat die Klebebindung nicht unbedingt erfunden, aber sie doch erweitert: nach monatelangem Experimentieren ist es den Hanseaten gelungen, eine Layflat-Bindung auch für dünne Papiere zu verwirklichen. Allerdings ist das auch teuer.
Erst einmal musste Martin Lemcke hartnäckig bleiben. Monatelang suchte der Geschäftsführer der Hamburger Druckerei Langebartels & Jürgens unter regionalen Buchbindereien nach Unterstützung für ein ehrgeiziges Projekt. Lemcke wollte per Klebebindung auf dünnem Papier erreichen, was auf dickem Fotopapier schon lange möglich ist: eine glatte Panoramabindung, bei der keine Wölbung des Papiers im Bereich des Bundes auftritt. Doch das Werben des Martin Lemcke ging gar nicht glatt. Viele Buchbinder wollten ihre Ressourcen aber für so eine Idee nicht binden, wogen wohl technologischen Anspruch und ökonomische Perspektive eher zuungunsten der Idee ab. Erst nach drei Monaten war schließlich ein Partner unter den Buchbindern gefunden, weitere drei Monate dauerte es, bis die Layflat-Bindung mit dünnem Papier erstmals umgesetzt wurde.
„Je dünner das Material ist, desto mehr wirft es nach der Klebung Falten. Die Broschüren waren nicht glatt, sondern leicht gewellt und verspannt. Und das ist wirklich ein kniffliges Problem“, erzählt Martin Lemcke. „Eigentlich stehen wir nach diesem halben Jahr immer noch ganz am Anfang. Zurzeit hat unsere Imagebroschüre den Charakter eines Folders mit dicken Seiten. Aber es sind eben keine Kinderbuch-Pappen mehr. Das dünnere Papier ergibt bei gleichem Seitenumfang deutlich handlichere und handhabbare Produkte.“
Nur mit ungestrichenen Papieren
Damit man überhaupt mit dünnen Papieren arbeiten kann, müssen diese den Leim besonders gut aufnehmen können. Für Fotobücher werden deshalb Materialien verwendet, die auf der bedruckten Seite gestrichen und auf der verklebten Seite ungestrichen sind. „Bei den gestrichenen Papieren müssten wir in der Grammatur zu hoch gehen, deshalb verwenden wir nur ungestrichene, die dafür ganz besonders geeignet sind. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese auch sehr edel aussehen und eine wirklich tolle Haptik haben. Damit die Farbwiedergabe stimmt, verwenden wir hochpigmentierte Farben und haben unseren Workflow speziell auf ungestrichene Papiere umgestellt.“
Reifezeit
Gerade wurde eine weitere Broschüre gedruckt und gebunden, die allerdings noch nicht versendet wurde. „Je länger diese Broschüren liegenbleiben, desto weniger Verspannungen weisen sie auf. Wir haben bei der ersten Broschüre den Fehler gemacht, sie zu früh im Kalten auf die Reise zu schicken. Der Buchbinder muss sie verarbeiten und mindestens eine oder zwei Wochen liegenlassen. Dann erst liegen sie so schön plan, wie wir sie haben möchten.“
Das grenzt das Anwendungsspektrum natürlich stark ein. „Sehr viele Produkte müssen sehr schnell fertig sein. Das können unsere Kunden da natürlich vergessen. Auch große Auflagen passen nicht, weil die Verarbeitung mit den dünnen Seiten mit einem hohen manuellen Aufwand verbunden ist. Dadurch wird es sehr teuer“, fügt Martin Lemcke an. „Es bleibt also eigentlich nur die Imagebroschüre über.“ Eine Broschüre, die mit dem LayFlat-Verfahren gebunden wurde, kostet wegen der doppelten Seiten und buchbinderischen Verarbeitung gut und gerne das Doppelte einer klebegebundenen Broschüre.
Teuer und langsam
„Wir haben hier ein Produkt, das richtig schön teuer ist und ewig lange braucht, bis es versendet werden kann. Als wir dieses Produkt letztens bei einer Veranstaltung mit genau diesen Worten unseren Kunden präsentiert haben, waren die natürlich völlig fassungslos. Das passt überhaupt nicht zu unseren üblichen Produkten. Aber es ist eben etwas ganz Besonderes. Alle Kunden, die eine Broschüre in der Hand hielten, waren begeistert. Schließlich liegt der Manufactum-Style im Trend und jeder möchte etwas richtig Schönes haben“, so Martin Lemcke.
Dann eben nicht
Illusionen macht sich Martin Lemcke keine. „Wir wissen jetzt schon, bevor es richtig losgeht, dass es trotzdem ganz oft an der zeitlichen und wirtschaftlichen Hürde scheitern wird.“
All das, der Preis, die nötige Reifezeit, die damit stark limitierte Anwendungsfächer wird das neue Produkt nicht unbedingt zu Massenware machen. „Ich würde mich freuen, wenn ich pro Jahr fünf oder zehn solcher Broschüren produzieren darf.“, so Lemcke. Aber vielleicht, so das Kalkül des Druckereichefs, ist das Bessere ja der Freund des Guten: „Wenn jemand in Hamburg ein besonderes Produkt haben will, spricht er uns an. Wenn er diese Zeit dann aber doch nicht hat und das Geld nicht ausgeben will, wird er eben eine normale Broschüre bestellen. So profitieren wir trotzdem von einem in der Branche einmaligen und ungewöhnlichen Produkt.“
Anja Schlimbach