Business Karriere Design Tools Druck Digital
StartseiteDesignFarbenDie Orchideen-Prophezeiung

Farben

03.02.2014 08:50

Die Orchideen-Prophezeiung

Selbsternannte Farbautoritäten scannen die Welt jährlich nach Trends. Und haben ihre Informationen wieder einmal zu den Farben des Jahres abgemischt.

Seher musste man früher schon mindestens sein, um Weissagungen treffen zu können. Heute darf man dazu auch Antizipationskünstler sein: Vorwegnehmen sollen sie die Trends. Vorhersehen, welche Farbkübel sich wohl öffnen werden im neuen Jahr. Wo andere nur schwarz oder vielleicht sogar etwas Rosiges sehen, ahnen Experten ganz konkrete Farbtöne, die stilprägend sein sollen. In Labors, Workshops, bei fast geheimnisvollen Zusammenkünften, destillieren sie die Trendfarben aus all den überlagerten Schichten aus gesellschaftlichen Befindlichkeiten, menschlichen Sehnsüchten und gegenwärtigem kreativ-kulturellem Output des Planeten. Vor allem an zwei Orten geschieht das jährlich so sicher wie die Wahl der Unwörter des Jahres: In Sassenheim in den Niederlanden, dort, wo sich das Global Aesthetic Center von Akzo Nobel, dem größten Farbenhersteller der Welt, Gedanken macht, was insbesondere Räume, Wände und Architekturen so tragen im neuen Jahr. Und in Carlstadt in New Jersey, wo das Pantone Color Institute residiert.

Grün-Lila

Die Ergebnisse des diesjährigen Farbforschens: Akzo Nobel sieht die Welt 2014 in Opal. Pantone schaut hingegen scheinbar schon wieder ein Stückchen weiter: im letzten Jahr waren sie bereits beim Farbton „Emerald“, auch einem Grünton, angelangt. Für 2014 hat man einen lilafarbenen Trend angerührt, der den Namen „Radiant Orchid“ und die Pantone-Nummer „18-3221“ trägt. In der Mode genauso wie im Produktdesign, auf den Hochglanzseiten der Magazine und in High-Tech Objekten, fast überall könnte das lavendelige Lila vermehrt aufblitzten, meint Pantone, die selbsternannte „Colour Authority“. Das könnte man als implizites Dogma betrachten oder auch als eine von jenen besonderen Prophezeiungen, die man auch gerne als selbsterfüllend apostrophiert.

Laurie Pressman, Vize-Präsidentin des Pantone Color Institute sieht hingegen eher die Konnotationen des Farbtons im Vordergrund: „In keinster Weise ist die Wahl der Farbe des Jahres als Dogma oder Diktat zu verstehen“. Vielmehr sei „der symbolische Inhalt“ einer der Hauptgründe für die tatsächliche Wahl der Farbe. Und diesen interpretiert Pantone als „magisch und rätselhaft“. Sowie als „Einladung zur Innovation“, wie Pressman erklärt, „die Farbe fördert Kreativität und Ideen. Sie wird in der Gesellschaft heute besonders wertgeschätzt und nachgefragt“.

Ockergruben-Lobbying

„Diese Einzelfarben, wie sie Pantone oder Akzo Nobel publizieren, halte ich eher für Running Gags“, sagt dagegen Daniela Späth. „Trends machen, das funktioniert schon gar nicht“, sagt die Farbdesignerin und Präsidentin des Schweizer Vereins ProColore. Für Farbenhersteller wie etwa Adler Lacke konzipiert sie regelmäßig die neuen Farbpaletten. Was Farben vermögen, weiß Späth genau: Schließlich hat sie selbst schon eine Farbe „designt“, die eine messbare Wirkung hat. Manche Schweizer Gefängnisse sind innen bereits mit dem Farbton „Cool Down Pink“ ausgemalt. Und genau diesen deeskalierende Effekt erwartet man sich davon.  Noch ist die Farbe aber nicht landesweit verordnet wie es das „Schönbrunner Gelb“ zu österreichischen Kaiserzeiten für zahlreiche öffentliche Gebäude war.

Der Farbton reflektierte damals aber weniger gesellschaftliche Sehnsüchte als monetäre Notwendigkeiten. Die Ockergruben in Böhmen sollten auf Anordnung von Kaiser Josepf II. volle Auftragsbücher bekommen. Es war also Farb-Protektionismus, der hier entscheidend war. 

Blass ist das neue Bunt

Inzwischen ist die Architektur wieder weitgehend so farblos geworden wie die Kleidung, die viele ihrer Urheber tragen. Pastellige Farbtöne reflektieren eine aufkommende Zurückhaltung. „Expressivität entspricht nicht mehr dem Zeitgeist“. Es geht nicht mehr darum zu zeigen, was man hat, sondern eher darum, es zu verstecken. „In der Architektur verlangen die Menschen immer noch nach warmen Farben“, erzählt Späth. Doch die Intensität nimmt ab. Wie auch der Sättigungsgrad der Farben in der Fotografie-Ästhetik.

In den letzten Jahren waren sogar manche erfolgreiche Kinofilme so monochrom wie die Entwürfe jener Gebäudegestalter, bei denen  Architekturkritiker oft akute „Chromophobie“ diagnostizieren. „Auch die Kinoindustrie hat die technischen Möglichkeiten bis in die Extreme ausgereizt“, sagt Späth. Und mit  Computertechnologien sowie 3-D-Effekten überfrachtet. War klar, dass auch das einmal kippen musste - nach jener Trendlogik, die keine sanften Kurven kennt, sondern nur steile Klippen. „Auch die Farbtrends oszillieren zwischen den Extremen“. 

Reisen zu den Farben

Außer man sieht sich als Farbtonangeber der Kreativbranche wie eben Pantone. „Man muss das auch richtig verstehen“, sagt Späth, „das ist wie Haute Couture, das sind nicht unbedingt die Alltagsfarben, die da angegeben werden, sondern Glamour-Farben“. So schickt Pantone 2014 „Radiant Orchid“ auf den Laufsteg und in die Mail-Postfächer sämtlicher Lifestyle-Journalisten. „Wir wissen, dass Farbe 50 bis 85 Prozent aller Ideen und auch Kaufentscheidungen beeinflussen“, erzählt Laure Pressman vom Pantone Color Institute über die Macht der Farbe. Die Pantone-Experten, sagt sie, fahren mit „einer Farbantenne durch die Welt“, die alle möglichen Signale empfängt.

„Unsere Farbexperten durchkämmen sprichwörtlich die Welt nach neuen Farbeinflüssen“, sagt Pressman. Dabei lassen sie ebensowenig die Unterhaltungs- und Filmindustrie aus, wie die Kunstsammlungen und die Ateliers aufstrebender Künstler. „Wir beobachten sie genauso wie auch die Designer“.

All diese Eindrücke und Inputs landen im Datentopf, aus dem Pantone und seine Farbscouts zunächst einmal die Farbfamilie herausdestillieren. „Anschließend werden die Einflüsse auf eine bestimmte Farbe heruntergebrochen“, sagt Pressman. So ein Lilaton wie in diesem Jahr darf dann von höchster Trend-Stelle autorisiert in der Mode genauso aufblitzen wie im Grafikdesign.

Sprachfarben

Der größte Farbenhersteller der Welt, Akzo Nobel, fühlt sich farblich eher im Mainstream zuhause, meint Farbdesignerin Daniela Späth. „Grün hat sich in der Architektur schon länger wieder abgezeichnet“, meint sie. Das Global Aesthetic Center von Akzo Nobel hat gegen Ende letzten Jahres „Opal“ als Zukunftsfarbe zusammen mit dem traditionellen ästhetischen Farbleitfaden „Colourfutures“ hervor gezaubert. Darin wird die „Farbe der tropischen Meere“ beschworen als Symbol für „Offenheit, Klarheit und Weite“. Man  schreibt ihr durch ihre ausgewogene Balance von Blau und Grün vor allem im Design eine kommende Favoritenrolle zu.  Zusätzlich hat das Team rund um die Leiterin Heleen van Gent auch verschiedene weitere Farbtrends sprachlich und bildlich in den „Colourfutures“ ausformuliert. Dabei kommen dann Bezeichnungen heraus, die fast wie Romantitel klingen: „Stille Revolution“, „Urbane Folklore“, „Zahlenspiele“, „Geheimer Garten“ und „Tue es jetzt“ heißen sie diesmal. Farben kann man eben auch wie Worte lesen. 

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100