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Augmented Reality

06.12.2010 10:46

Gedruckte Laterna Magica

Immer mehr Printmedien reichern ihre Inhalte mit Erweiterungen ins Web an. Für Druckereien jedoch bleibt der ökonomische Nutzen der erweiterten Wirklichkeit meist Illusion. Dabei hätten gerade die Produzenten von Gedrucktem in diesem Markt noch genügend Spielraum, auch auf eigene Rechnung zu arbeiten.

3D-Profi Ralf Baumeister: Hat den RTL-Jahresbericht in die dritte Dimension erweitert. © Beigestellt Entfachte einen echten Hype: Magazin der Süddeutschen mit vielen Elementen virtueller Wirklichkeiten. © Beigestellt Probieren Sie es aus: hinter diesem QR Code versteckt sich ein Video! © Beigestellt Reprozwölf-Chefs Herta und Andreas Spannbauer: Video in Print als "einmaliger Zünder". © Beigestellt Probieren Sie es aus: hinter diesem QR Code verrät Andreas Spannbauer seine Gedanken über Augmented Reality. © Beigestellt Hinter diesem Code: Der RTL-Jahresbericht als Video. © Beigestellt Jekyll & Hyde, multimedial interpretiert: Die erweiterte Realität hält sich im Buch dezent zurück. © Beigestellt Hinter diesem QR Code: Was das Jekyll & Hyde-Buch kann. © Beigestellt
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Ein Hype entsteht, wenn die Freude der Menschen über die Verfügbarkeit einer Technologie schon da ist, bevor noch deren Nutzen sich geklärt hätte. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung, ein launiges Lifestyle-Supplement, redaktionell angesiedelt irgendwo zwischen Nonkonformität und Nonsens, hat Ende August wohl einen solchen Hype in deutschsprachigen Printmedien entfacht. Durchs gesamte Heft ziehen sich Bilderstrecken, deren Kernbotschaften sich dem Leser erst erschließen, wenn der zu Experimenten bereit ist: Er muss eine bestimmte Applikation auf sein Smartphone laden, das Handy über das Magazin halten und wird dann auf dem Bildschirm mit Zusatzinformationen versorgt. Die lustige Fotostrecke mit der deutschen Song-Contest-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut etwa kommt im Heft völlig ohne Text aus, erst auf dem Display des Smartphones erfährt der Leser, was die junge Dame sich angeblich während des Fotoshootings gedacht hat. Allemal hingerissen von der erweiterten Realität, der Auslagerung bestimmter Print-inhalte in die virtuelle Welt, waren die Leser. Tausende Male wurde die notwendige Applikation der auf Augmented-Reality-Anwendungen (AR) spezialisierten Münchner Softwareschmiede metaio heruntergeladen. Seitdem freilich müssen die Leser des deutschen Magazins wieder ohne die unwirkliche Wirklichkeit auskommen; wiederholt wurde das Experiment bisher nicht. Selbst Jan Schlink, bei metaio für die Kommunikation zuständig, wird da ganz bange zumute: „Bei den Sprechblasen für Lena Meyer-Landrut kann es insgesamt wohl nicht bleiben“, sagt er.

Nur eine Ergänzung

Es ist ja schon ein wenig kurios: Auf der Suche nach Methoden, Gedrucktem wieder Appeal zu geben, sind Medienmacher auf das Web gekommen, laufen aber gleichzeitig Gefahr, die so vielleicht wiedergewonnenen Konsumenten durch reine Spaßnummern zu vergraulen. Dem Gedruckten in seiner Laterna-magica-Variante haftet der Makel der Unernsthaftigkeit an. Ausnahmen gibt es schon: Die beiden Schweizer Designer Marius Hügli und Martin Kovacovsky stellen dieser Tage eine spannende Interpretation des Krimiklassikers „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ vor, bei dem das pure Lesevergnügen nicht leidet, wenn man gerade mal nicht mit dem Buch vor Bildschirm und Webcam herumfuchteln möchte. „Das ist nur eine Ergänzung. Unser Buch haben wir aber so gestaltet, dass es auch ohne diese Erweiterungen in die virtuelle Welt funktioniert“, erzählt Marius Hügli. Ein Kniff dabei: Die Seiten mit dem Text kommen völlig ohne Bilder aus, der Lesefluss wird solcherart nicht unterbrochen.

Druckvolumina stabilisieren

Der virtuelle Appendix des Gedruckten, so jedenfalls die vage Hypothese,  schafft zumindest umwegrentable Effekte für jene, die mit der Produktion gedruckter Medien Gewinn zu erwirtschaften trachten. „Als Druckerei verdienen wir nichts an diesen AR-Projekten, da sind wir zumindest bei der Produktion von Magazinen ja nicht einmal in den Workflow eingebunden. Unser Ansatz ist der: Wir meinen, dass die Nutzung solcher Technologien insgesamt Printmedien stärkt und vielleicht sogar hilft, Druckvolumina zu stabilisieren. Deshalb unterstützen wir das“, sagt Simon Kiesel, Innovationsmanager bei Vogel Druck in der Nähe von Würzburg. Sogar Workshops, in denen die Möglichkeiten der virtuellen Brücken erläutert werden, veranstaltet das Unternehmen.

„Als Druckerei verdienen wir nichts an diesen AR-Projekten, da sind wir zumindest bei der Produktion von Magazinen ja nicht einmal in den Workflow eingebunden. Unser Ansatz ist der: Wir meinen, dass die Nutzung solcher Technologien insgesamt Printmedien stärkt und vielleicht sogar hilft, Druckvolumina zu stabilisieren. Deshalb unterstützen wir das“

Simon Kiesel, Innovationsmanager, Vogel Druck

Verlegerischer Nutzen

Dass die Realitätserweiterung in gedruckten Medien immer bloß Gimmick bleibt und nach dem ersten Wow-Effekt eben nichts folgt, identifiziert Kiesel als Gefahr: „Die Menschen ärgern sich, wenn sie extra ein App auf ihr Smartphone laden und in der Zeitschrift ihrer Wahl dann nie wieder nützen können, weil die Anwendung in den nächsten Ausgaben nicht mehr vorkommt.“ Dabei würde es für Verlage auch Möglichkeiten geben, aus dem Gimmick ein Geschäftsmodell zu drechseln. „Wenn ein Leser eine AR-Anwendung nutzt, könnte er damit Zugang zu einem exklusiven Bereich auf der Website erhalten, der sinnvollen Content für Käufer der Printausgabe enthält“, schlägt Kiesel vor. Auch da also wieder der Ansatz der Umwegrentabilität: Gedrucktes zu kaufen soll sich für den Leser rentieren und weiter zu drucken damit für den Verlag.

Niederzureißen ist nun noch eine Barriere, damit Glücksgefühle sich Bahn brechen können beim Leser: die Standardisierung der Technologie. Simon Kiesel zum Beispiel, er hat fünf Apps für die unterschiedlichen AR-Technologien auf seinem Smartphone. Zu viel, um einer weniger technikaffinen Zielgruppe virtuellen Gusto zu machen.
Natürlich kommt auch dem Werbekunden im kalkulierenden Verhalten der Verlage eine gewichtige Rolle zu. Stellt der seiner Anzeigenkundschaft das Know-how zur Verfügung, Inserate mit Web-Content zu verknüpfen, lassen sich damit vielleicht ganz direkt zusätzliche Erträge generieren. Der Versicherungskonzern Axa hat kürzlich in belgischen Zeitschriften mit AR-Content geworben, indem die Geschichte zum nur teilweise abgebildeten Motiv nur virtuell sichtbar war. Und weil auch eine solche Pointe recht schnell versickert, hatte der vielleicht unterversicherte Belgier auch gleich die Möglichkeit, eine ungemein hilfreiche App von Axa auf sein iPhone oder sein Android-Handy zu laden.

Know-how als Must

Die Technologie kommt heute bis auf wenige Ausnahmen völlig ohne große Kenntnis der Druckproduktion selbst aus. Vordergründig ungünstig stellt sich dieses Setting für Druckereien dar, die von Beginn an am Produktionsprozess teilhaben möchten. Aber es gibt Ausnahmen wie die AR-Technologie Clic2Clic. Bei der werden die Daten zur Verknüpfung von gedrucktem Bild und virtuellem Content und damit zur Bilderkennung durch das Smartphone über digitale Wasserzeichen in das Druckraster eingearbeitet. Das erfordert einen recht sensiblen Umgang mit dem Color Management, Wissen also, das in einer Druckerei jedenfalls vorhanden ist. In dieses Know-how zu investieren, davon die Kundschaft aber auch in Kenntnis zu setzen, kann hilfreich sein.
„Man muss sich die Frage stellen, wie ich dem Kunden in dieser unheimlichen Vielfalt Orientierung bieten kann“, versucht Andreas Spannbauer, Junior-Chef von Reprozwölf, eine Chancen-Abwägung. Reprozwölf hat vor wenigen Monaten ein Projekt abgewickelt, bei dem die Wegweiserfunktion bei einem Crossmedia-Projekt wohl sein Kapital war. Gemeinsam mit der Agentur Cloos & Partner hat Reprozwölf für den amerikanischen Eaton-Konzern bei dessen Übernahme von Moeller Elektrotechnik eine Broschüre realisiert, die für Aufsehen gesorgt und zum Anschauen motiviert hat. Eingearbeitet in die kleine Broschüre war ein Videodisplay und beim Aufklappen des kleinen Buches startete automatisch ein kurzer Film über das segensreiche Engagement de Amerikaner in Österreich. Einen „einmaligen Zünder“ nennt Andreas Spannbauer das Projekt. Sowohl für Eaton als auch für Reprozwölf. Folgeaufträge freilich sind daraus, wohl auch wegen des stolzen Preises für das LCD-Display, nicht geworden. 


In der dritten Dimension

Einem Kollegen Spannbauers aus der Reprobranche in Hamburg ergeht es ähnlich. Auch er hat vor einigen Monaten ein spektakuläres Projekt umgesetzt, auf dessen Lorbeeren er sich nun zwangsläufig ausruhen muss. Ralf Baumeister, Chef des Reprostudios Die Bildproduktion in Hamburg hat in den Geschäftsbericht des TV-Senders RTL Bewegtbilder und 3-D-Content integriert. Hält man das Buch vor eine Webcam, zeigt der Bildschirm ein Video zum Bild der britischen Castingshow-Attraktion Susan Boyle, an anderer Stelle beginnt ein abgedruckter Globus sich zu drehen. „Insbesondere der 3-D-Content ist ein faszinierendes Thema“, sagt Baumeister und kann sich schon lebhaft ausmalen, wie etwa Kinder in ihren Schulatlanten 3-D-Modelle der Alpen erkunden können.
„Leider hat besonders 3-D-Content enormen Erklärungsbedarf“, weiß Baumeister. Ein Erklärungsbedarf, der allerdings dem Dienstleister auch Umsatz bringt. 3-D-Inhalte zu programmieren, treibt den Projektaufwand ordentlich in die Höhe.

„Leider hat besonders 3-D-Content enormen Erklärungsbedarf“

Ralf Baumeister, Die Bildproduktion, Hamburg

Wenn schon der Druckprozess von angereicherten Produkten selbst ernüchternd gewöhnlich und damit ohne Chance auf Monetarisierung bleibt, kann die Druckerei wenigstens als Schnittstelle und Projektträger fungieren. Gerade die Erweiterung eines Druckprojektes mit 3-D-Spielereien konfrontiert den Auftraggeber meist mit einer bunt-unübersichtlichen Schar an unterschiedlichen Dienstleistern und Partnern und fördert die Sehnsucht nach einem einzigen Projektabwickler am Schnittpunkt zwischen Pixel und Papier.


Druckereien im Großformatsegment haben, wenn die Gimmick-Phase erst einmal vorbei ist, mutmaßlich die markttauglichste Positionierung, um AR-Projekte zu holen. „Gerade in der Außenwerbung könnte die Technologie reüssieren. Die Verbindung von Plakat und Web wäre stimmig“, sagt Ralf Baumeister. Detaillierte Informationen über ein Produkt oder gar die virtuelle Navigation zur dem Plakat nächstgelegenen Verkaufsstelle wären mehr als ein schräges Tool für Techno-Freaks. Bedeutet: Das Gegenteil von Hype.

So nützen Sie die QR-Codes auf dieser Seite:

> Laden Sie in Ihrem iTunes-Store oder im Android Market einen kostenlosen QR-Reader herunter. Wir empfehlen die Gratisversion des QR-Readers von Tap Media, mit dem wir alle Codes getestet haben.

> Öffnen Sie das Programm und halten Sie das Smartphone in ein paar Zentimeter Entfernung vor den abgebildeten Code.

> Berühren Sie den Fotobutton auf dem Touchscreen. Nach einigen Sekunden wird sich die jeweils hinterlegte Anwendung automatisch öffnen.

 

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Jean-Marie Lawniczak Brillant (3)Unnötig (0) Antworten 10.12.2010 14:52 Kommentar melden Permalink
QR-Code auch in Österreich im Einsatz
Die Marke „Peugeot“ war eine der ersten, die für ihre Einschaltungen in den unterschiedlichsten Print-Medien der vergangenen zwei Jahre, den QR-Code gezeigt hat. Der QR-Code bildete den markanten Bestandteil dieser Kampagne im Print. Obwohl er hierzlande zu dieser Zeit noch kaum breitenwirksam war. Auch im österreichischen Markt tut sich Neues auf diesem Sektor.

Ich gestatte mir, auf eine ungewöhliche Kampagne des Wursterzeugers MOSER hinzuweisen, die das Produkt „Schwarze Pute“ in allen relevanten Printmedien Österreichs mit einem „QR-Code-Gewinnspiel“ noch bis 15.12.2010 kommuniziert. Damit wurde erstmals eine „klassische Webekampagne“ mit QR-Code für ein Lebensmittelprodukt in Österreich realisiert. Es ist eine der wenigen Kampagnen in Österreich, bei der diese Technologie in Konzept und Strategie eingebunden ist. Somit wird ein starker Cross-Medialer Effekt von Print zu Mobile erzeugt – als „positiv angereicherte Realität“ für den Leser, – Fortsetzung, nicht ausgeschlossen.
Das Thema der QR-Technologie hat nur eine Chance, wenn es in der breiten Öffentlichkeit einen gebührenden Platz findet und damit auch dem Print-Sektor einen tatsächlichen Nutzen bringen kann. In Europa ist der QR-Code ja noch immer nicht viel mehr, als ein grafisches Symbol, futuristischer, unverständlicher Technologie. In Asien, vor allem in Japan, ist der CR-Code aber ein viel genutztes Werkzeug zur Verknüpfung unterschiedlichster Informationen.

Jean-Marie Lawniczak
Hier noch zwei Links zum Nachlesen:
http://www.yellow.at/index.php?/projekte/ref-verpackt/
http://www.pressetext.at/news/101118011/mobile-tagging-in-print-medien-fuer-wurstmarke-schwarze-pute/?phrase=yellow
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