Business Karriere Design Tools Druck Digital
StartseiteBusinessKampagnenSchalten und verwalten

Kampagnen

07.11.2013 06:52

Schalten und verwalten

Zahlreiche europäische Initiativen machen sich für gedruckte Kommunikation stark. Die Ziele der Zeitungs-, Druck- und Papierindustrieverbände unterscheiden sich nur zum Teil. Dafür werkt aber jeder erstaunlich autark vor sich hin.

Auf dieses Reizwort ist Verlass: papierlos. Sobald es auftaucht, steigt auch der Blutdruck der ansonsten recht verhaltensunauffälligen Print-Lobbyisten in Brüssel. Die EU-Kommunikationsabteilung DG Connect, zuständig für Kommunikationsnetze, Content und Technologie, veröffentlichte ihre Absicht, künftig zu 100 Prozent digital, also papierlos, kommunizieren zu wollen. Da reagierten CEPI, Intergraf und andere der Printindustrie nahestehende Lobby-Organisationen mit einem offenen Brief an die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes: Mit zahlreichen Argumenten forderten sie die Kommission auf, ihr digitales Planziel zu überdenken. 22 Prozent der Europäer, so die Druck-Lobbyisten, hätten keinen Zugang zu Online-Medien und hätten ein Informations-Blackout zu erwarten. Und außerdem seien etwa gedruckte Direct Mailings ausgesprochen effektiv und mit hohen Response-Raten gesegnet.

Der digitale Plan der EU-Kommission kann als Indiz dafür gewertet werden, unter welchem Legitimationsdruck der Medienkanal Print steht. Europaweit bemühen sich daher einige Initiativen, Print als ebenbürtige und in mancher Hinsicht überlegene Alternative zu digitalen Kommunikationswegen zu positionieren.

Trommeln im Kollektiv

Dass die Papier- und Druckbranche samt Wertschöpfungskette wirtschaftliche und politische Kraft hat, belegen sechs Millionen direkte oder indirekte Arbeitsplätze. Und 2009 wurde die Kampagne Print Power von Austropapier-Präsident Wolfgang Pfarl ins Leben gerufen. Mehrere Organisationen, darunter CEPI sowie der europäische Papierhändlerverband Eugropa, wurden rasch an Bord geholt. Klare Zielgruppe: Werbeentscheider und Agenturen. Print Power Austria, eine von 13 Landesorganisationen, schaltete 2012 immerhin 21 Anzeigen und war bei Events wie Adgar-Gala, Drupa, Austrian Paper Day oder den Österreichischen Medientagen präsent. „Wir wollen die Print-Power-Kampagne stärker in der gesamten Wertschöpfungskette verankern, um gemeinsam aufzutreten und die Kraft unserer Botschaft zu verstärken“, sagt Patrick Mader von Print Power Austria. Neben den Mitgliedern von Print Power Austria – Austropapier, VOEPA und VÖZ – wird die Aktion etwa vom Verband Druck & Medien, der Post, Mondi und Europapier unterstützt. Druckereien an Bord zu bekommen, erweist sich für Print Power Austria als schwierig. Obwohl diese von der Gemeinschaftskampagne in hohem Maße profitieren könnten, sind sie zurückhaltend bei deren Unterstützung.

Zahlt sich aus

Auf europäischer Ebene tut sich indes einiges. Mader verweist auf das heuer beim Cannes-Werbefestival vorgestellte Magazin „The Page“, das von Print-Power-Europe-Marketingchef Ulbe Jelluma gestaltet wurde und unter anderem eine Best-of-Printwerbung samt unterschiedlichsten Druckvarianten präsentiert. Jelluma erklärt die Strategie: „Print Power Europe stellt eine Toolbox von Werbematerial und -aktivitäten zur Verfügung, aus denen die Länderorganisationen wählen können. Wir bewegen uns nun von der Awareness- zur Annäherungsphase. Wir haben zum Beispiel ein spektakuläres multisensorisches Mailing gemacht, das vier verschiedene Drucktechniken umfasst und zweistellige Responseraten gebracht hat“, zeigt sich der ehemalige Werber begeistert und schießt nach: „Dieses Mailing beweist, dass sich Innovation in Sachen Print auszahlt.“ Apropos messbare Resultate: Eine mehrstufige IPSOS-Umfrage über die Effizienz einzelner Medienkanäle bei Werbeentscheidern und Agenturmanagern ergab, dass die Bekanntheit von Print Power von 37 (2009) auf heuer 48 Prozent gestiegen ist. Auf ebendiese Umfrage beruft sich auch Martyn Eustace, Initiator der ursprünglich in England gestarteten und mittlerweile mit Print Power verschmolzenen Kampagne TwoSides.

Unbekannt

„Die IPSOS-Umfrage 2010 hat ergeben, dass Konsumenten kaum wissen, dass die Papierindustrie Europas größter Recycler ist und die Waldfläche in Europa seit 1950 um rund 30 Prozent gestiegen ist“, berichtet Eustace und zeigt sich äußerst gespannt, was die Ergebnisse der diesjährigen für November erwarteten Umfrage zeigen. Natürlich stehen genau die beiden Themen Recycling und Aufforstung im Zentrum der TwoSides-Printkampagne, die europaweit einem – großteils gratis geschalteten – Mediavolumen von rund zwei Millionen Euro entspricht. „Die Papierindustrie hat viele Möglichkeiten, sich zu promoten. Unternehmen selbst tragen Verantwortung, Kunden und Mitarbeiter über Umweltthemen zu informieren, und Verbände wie CEPI und Intergraf stellen hervorragende Informationen zur Verfügung. Was die Industrie in der Vergangenheit nicht geschafft hat, ist, die Geschichte simpel und aufmerksamkeitsstark zu erzählen“, glaubt Eustace, der für sich und TwoSides beansprucht, genau das zumindest teilweise geschafft zu haben. 

Rückgrat

In Österreich betrug der Werbedruck der TwoSides-Kampagne 2012 immerhin 320.000 Euro, wobei rund 80 Prozent kostenlos in VÖZ-Mitgliedsmedien geschaltet wurden. „Von der Symbiose zwischen Papier und Qualitätsjournalismus profitieren Leser, Demokratie und Umwelt“, meint VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger und bezeichnet die auf Papier erwirtschafteten Umsätze als „wirtschaftliches Rückgrat, das die demokratiepolitische Kontrollfunktion der Zeitungen erst ermöglicht“.

Die Wichtigkeit von Print für Meinungsbildung besetzt der VÖZ mit seiner von Demner, Merlicek & Bergmann gestalteten Print-Kampagne „Steigern Sie den Wert Ihrer Meinung“. Obwohl die 62 Mitgliedsmedien zuletzt durch Online- und Gratismedien unter Druck geraten sind, kann der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) von den 54,1 Prozent, die Print hierzulande an den Brutto-Werbespendings hält, nur träumen. Rund 15 Prozent der Bruttowerbespendings – etwa gleich viel wie Online – hält Print in Deutschland. Die deutsche Kampagne „Print wirkt“ wendet sich teils mit humorvollen Sprüchen rund um die Werbewirkung von Print primär an Werbeentscheider und Agenturen. Mit Sätzen wie „Print ist gekommen, um zu bleiben“ oder „Print wirkt und wirkt und wirkt“ spielt die betreuende Agentur etwa auf Songtexte oder bekannte Werbeslogans an.

Peter Klotzki, Geschäftsführer Kommunikation beim VDZ, spricht von einem harten Kampf und einer strukturellen Schwäche im Printmarkt: „Im TV gibt es wenige große, im Print viele kleine Vermarkter, die die Kosten in die Höhe treiben. Außerdem wird Print zusehends nur mehr für Markenbildung und Image, nicht aber für Abverkauf genutzt, und die Mediaagenturen spielen die Gattungen gegeneinander aus.“ 

Support für Drucker

Im Gegensatz zur VDZ-Kampagne, die auf Anzeigen in Publikumsmedien abzielt, versteht sich die B2B-Kampagne des deutschen Bundesverbands für Druck und Medien (BVDM) „Die Zukunft wird gedruckt“ als eine Art Support für die Druckindustrie. Das Ziel: Die Mitgliedsunternehmen dabei zu unterstützen, sich und ihre Produkte besser zu vermarkten, sei es in Präsentationen, Vertriebsgesprächen, Prospekten oder Online, sowie sie in ihrer Kommunikation mit aktuellen Erkenntnissen über die starke Nutzung und die positive Wahrnehmung von Print zu unterstützen. „Es wurden unterschiedliche Tools mit verschiedenen Motiven entwickelt, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken oder auch einzeln sehr wirksam eingesetzt werden können: ein Film, Roll-ups, Plakate, Flyer, Charts und vor allem viele Informationen rund ums Drucken“, so Verbandssprecherin Bettina Knape. Mit der massiven Präsenz von Online-Medien und -Devices sowie der Nachrichtenflut über Innovationen und neue Dienste dieser Branche sei Print ein wenig in den Hintergrund geraten. „Richtig ist: Es wird so viel gedruckt wie nie zuvor. Auf Papier, Karton, Plastik, Metall, Verpackungen, Schilder, Tapeten oder Stoffe. Allerdings schielen immer mehr Kunden in Richtung digitaler Kommunikation“, ergänzt Knape und verweist auf die Argumente für Gedrucktes als „attraktive, glaubwürdige, haptische und nachhaltige Instrumente der Kommunikation“. Die Resultate: www.die-zukunft-wird-gedruckt.de verzeichnet bisher knapp 15.000 Visits, die Druckvorlage für die Kampagnenplakate wurde 11.000 Mal heruntergeladen, um sie für unternehmenseigene Zwecke einzusetzen.

Nebeneinander

Für viele Print-Lobbyisten sind paneuropäische Initiativen prinzipiell sinnvoll, aber nur, wenn alle Beteiligten davon profitieren: „Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit muss jedoch maßgeschneidert werden auf Zielgruppen, Kultur, Märkte, Konsumverhalten und Sprachen“, findet Bettina Knape. Ähnlich VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger: „Das eine Sujet für ganz Europa kann es nicht geben. Die Menschen in Europa haben unterschiedliche Empfindungen für Grafik und Ästhetik von Werbung. Deshalb haben wir 2012 auch die TwoSides-Sujets für Österreich adaptiert und Models mit Zeitungsformaten fotografiert, die auch hierzulande verkauft werden. Der Grundgedanke und die Botschaft, dass Printprodukte nachhaltig sind, ist jedoch quer durch Europa einheitlich.“

Die Frage nach einer Verschmelzung der einzelnen Initiativen zu einer Art Superkampagne stellt sich für die handelnden Personen und Verbände jedenfalls nicht. Obwohl mit einer Bündelung der Budgets wohl insgesamt mehr Werbedruck erzeugt werden könnte, die Botschaften orchestriert werden könnten und alle beteiligten Branchen und Verbände in inhaltlich mutierten Sujets die Player der gesamten Wertschöpfungskette zielgenauer adressieren und dadurch die Gattung Print noch stärker pushen könnten. Lieber aber hegt jede Organisation ihren eigenen Schrebergarten.

Wie schwerfällig übrigens der EU-Lobbyismus der Branche ist, zeigt die Reaktionszeit des Papierindustrie-Verbands CEPI, des Druckerei-Verbands Intergraf, des Direktmarketing-Verbands FEDMA und des Kuvertindustrie-Verbands FEPE auf die Digitalisierungsabsichten der EU-Kommission: Die wurden im März veröffentlicht. Bis der offene Brief an die Kommission geschrieben war, dauerte es bis 10. September.

Clemens Coudenhove

(4c Printausgabe Deutschland+Österreich, 7/2013)

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100