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Bildformate

03.04.2013 13:58

Und jetzt verlustfrei

Gute Kompression und doch verlustfrei? Eine neue JPEG-Version macht’s möglich: 4c beleuchtet die letzten technischen Entwicklungen und die Zukunft von JPEG.

jpg kompression bilder format verlustfreiReif für die Insel: Das neue JPEG-9 schlägt im 4c-Test klar alle anderen verlustfreien Formate, darunter den bisherigen Spitzenreiter PNG um zwölf bis 15 Prozent, selbst wenn das PNG optimiert wurde. © Beigestellt

Die Patent-Hysterie flammte vor Kurzem wieder auf – diesmal im Zusammenhang mit dem Fotoformat JPEG. Es gibt prinzipiell zwei Arten, ein JPEG zu kodieren, nämlich die Huffman- und die arithmetische Kodierung. Technisch gesehen bietet letztere einen Vorteil in der Kompression, manchmal nur wenig, bei manchen Bildern durchaus bis zu 25 Prozent. Aber, so der streitbare US-Programmierer John Hable, Software-Patente hätten die Implementierung der besseren Technologie unmöglich gemacht. Heute sei deshalb so gut wie ausschließlich die Huffman-Variante in Verwendung.

Das Schlimmste dabei: Niemand habe vom Patent profitiert, im Gegenteil. „Wir alle haben verloren – und verlieren noch immer, weil wir bis heute wertvolle Ladezeit verschwenden“, beklagt Hable. Mit einem Beispielbild konnte er zwar nur sechs Prozent rausholen, aber: „Jeder JPEG-Download, sei es heute auf einem Smartphone oder 1993 über ein Telefonmodem, hat sechs Prozent länger gedauert und sechs Prozent mehr Bandbreite gekostet.“ Und das, rechnet Hable vor, gelte für jeden Menschen im Internet. „Zählt man das zusammen, haben wir gewaltig draufgezahlt.“

 

Kein Grund zur Panik

 

Dieser Darstellung widerspricht Roland Fassauer, Geschäftsführer des Instituts für Angewandte Informatik an der Universität Leipzig, für das fünfzig Forscher und wissenschaftliche Mitarbeiter tätig sind. „Die Patente für die arithmetische Kodierung sind allesamt längst abgelaufen. Den Algorithmus gab es ja schon in meiner Studienzeit.“ Und die, sagt Fassauer mit einem Augenzwinkern, sei nun auch schon lange her.

Roland Fassauer ist in der Fotowelt kein Unbekannter: Er war 2003 einer der Mitgründer von Pixaco, einer der größten europäischen Online-Fotoservices. Pixaco war in zwölf Ländern aktiv, vor über sieben Jahren wurde der Service erfolgreich an Hewlett Packard verkauft und in „HP Snapfish“ umbenannt. Im Jahr 2006 schließlich wurde Fassauer Geschäftsführer des damals frisch aus der Taufe gehobenen Leipziger Instituts.

Vor etwa zwei Jahren wurde auch die Independent JPEG Group, kurz IJG, ins Institut eingegliedert. Die IJG hat die frei verfügbare Software-Bibliothek „libjpeg“ für die Herstellung und Manipulation von JPEG-Dateien entwickelt. Die Bibliothek gibt es schon seit 1991, sie ist Opensource und darf in Software von Drittherstellern lizenzfrei eingebunden werden. Nicht zuletzt deshalb war sie in den Neunzigern ausschlaggebend dafür, dass sich JPEG überhaupt als Bildformat im Web durchgesetzt hat. Das bescheinigt ihnen sogar die JPEG-Gruppe selbst. In einem offiziellen Statement heißt es: „Den wohl größten und wichtigsten Beitrag bildet die Arbeit der IJG.“

Das arithmetische Verfahren, so Fassauer, sei einfach erst seit relativ kurzer Zeit in der IJG-Bibliothek und die Implementierung in den Betriebssystemen und Programmen benötige eben Zeit: „Wir können schließlich niemanden zwingen, unsere Software zu verwenden“.

In den halboffiziellen „Frequently Asked Questions“ heißt es zwar noch ausdrücklich: „Es wäre schön, wenn man JPEGs dekomprimieren, manipulieren und dann erneut komprimieren könnte, ohne eine weitere Verschlechterung in Kauf nehmen zu müssen. Leider ist das nicht der Fall!“ Aber das alte Manko ist jetzt endgültig Geschichte: Mit der neuen libjpeg-Bibliothek lassen sich jetzt bereits JPEGs ohne Spuren einer Kompression erstellen. Dabei ist die Verlustfreiheit nicht einmal neu. Bereits Version 8 war in der Lage, JPEGs non-lossy rauszuspielen. „Aber ich hätte es niemandem empfohlen“, schränkt Fassauer ein, „denn die Kompression war schlechter als bei PNG.“ Und dann könne man ja auch gleich bei PNG bleiben.

Geschickte Farbumwandlung

Der Clou von JPEG-9 ist die Verlustfreiheit in Kombination mit der effizienten Kompression. Wirklich neu unter der Motorhaube ist die reversible Farbkonvertierung, auf der die verlustfreie JPEG-Kodierung besser als bisher aufbauen kann. JPEG-9 komprimiert dadurch besser als PNG, kann aber trotzdem vollkommen pixeltreu bleiben. Jetzt kann Fassauer das verlustfreie JPEG guten Gewissens weiterempfehlen.

Nota bene waren auch arithmetisch kodierte JPEG-Bilder bisher verlustbehaftet. Erst mit der neuen Version JPEG-9 und in Verbindung mit der reversiblen Farbkonvertierung geht es verlustfrei.

Bis das neue JPEG in allen Programmen Einzug gehalten hat, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Er rechnet mit ein bis zwei Jahren, bis die neue Version in den Plattformen implementiert ist. Weitere zwei Jahre werden vergehen, bis die Unterstützung in die Programme durchsickert.

Fassauer möchte der Verbreitung aber ein wenig nachhelfen: „Wir unterstützen Anwendungsentwickler sehr gern bei der Umsetzung der neuen Features von JPEG-9“. Der Institutschef verspricht zusätzliche  Workshops und Vorträge, um der schönen neuen JPEG-Welt zum Durchbruch zu verhelfen.

Langsamer Anfang

Aber bereits jetzt gibt es einige kleine Linux- und Windows-Apps, die JPEG-9 einsetzen. Auf dem Mac hingegen fehlt bisher jegliche Unterstützung. Selbst die letzten Nightly-Builds der Browser verweigern bei den neuen JPEGs noch den Dienst.

Herstellen lassen sich die verlustfreien Bilder aber bereits, wenn auch nur auf der Kommandozeile. Dazu lädt man sich die libjpeg-Bibliothek auf den Rechner, kompiliert und installiert die Software über das Terminal (siehe Kasten). Mit dem Befehl „cjpeg“ können anschließend bestimmte Bildformate in JPEGs umgewandelt werden. Der Befehl akzeptiert unter anderem BMP, PPM und Targa als Input-Format. Über die Befehlsoptionen lassen sich Kompression, Farbkonvertierung und Kodierung steuern. Aktiviert man arithmetische Kodierung (Option „arithmetic“) und reversible Farbkonvertierung (Option „rgb1“) bei der kleinstmöglichen Blockgröße (Option „block 1“), so kann das neue, verlustfreie JPEG hergestellt werden – vorläufig freilich nur zum Größenvergleich.

Rainer Scheichelbauer

(4c Printausgabe 2/2013)

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