Business Karriere Design Tools Druck Digital
StartseiteToolsFontsGleichstand in der Schriftverwaltung

Fonts

16.09.2013 13:10

Gleichstand in der Schriftverwaltung

Rechtzeitig für den Sommer lieferten die Marktführer Monotype und Extensis neue Fassungen ihrer Schriftverwaltungen ab. 4c hat nachgeklickt, ob sich der Upgrade lohnt.

Nie wieder Verdana: Suitcase Fusion bindet Googles Webfonts direkt in seine benutzerfreundliche Oberfläche ein – zum Preis eines hohen Batterieverbrauchs. © Beigestellt

Der kalte Schriftenkrieg geht in die nächste Runde. Im Juni veröffentlichte Monotype den FontExplorer 4, der Markenname Linotype wurde ja mittlerweile fallengelassen. Einen Monat später folgte Extensis mit Suitcase Fusion 5. Was sofort auffällt: In Sachen Feature-Umfang ist das spartanische, aber anwenderfreundliche Suitcase mit dem Explorer praktisch gleichgezogen. Trotzdem schafft die Extensis-App es nach wie vor, alles in einem einzigen aufgeräumten Fenster unterzubringen.

Die bekannten Suitcase-Features wurden freilich nicht abgeschafft: So lassen sich Fonts in Bibliotheken und Gruppen sortieren, aber auch sogenannte Programm-Gruppen anlegen, die automatisch aktiviert werden, wenn ein bestimmtes Mac-Programm gestartet wird – ein Feature, das man bisher nur vom Explorer kannte.

Typo-Diashow

Umgekehrt hat auch der Explorer etwas von Suitcase abgekupfert. Schriften lassen sich zum Beispiel in einem Schwebefenster, das immer im Vordergrund bleibt, frei herumschieben. Aber es wäre nicht Extensis, wenn es nicht noch einen extra Twist hätte: Mit einem Slideshow-Knopf wird die Schrift alle paar Sekunden gewechselt. Der Layouter kann sich dann zurücklehnen, bis die ideale Titel-Schrift eingeblendet wird.

Beide Programme aktivieren Fonts über System-Erweiterungen und Plugins für XPress und die Adobe-Apps – inklusive der neuesten CC-Versionen. Weil die beiden Font-Verwaltungen sich daher etwas tiefer ins System bohren als andere Programme, bieten beide Hersteller eigene Apps zum Download, die nichts anderes tun, als das Hauptprogramm sowie alle Plugins und Erweiterungen zu entfernen. Anders als mit diesen „Uninstallers“ wird man die Schrift-Jongleure nicht los.

Google-Fonts à la carte

Das neue Killer-Feature von Suitcase ist aber die elegante Einbindung von Webfonts. So kann man über das Programm-Interface direkt auf Googles Webfont-Bibliothek zugreifen. Die Google-Fonts lagen ursprünglich im Kreuzfeuer der Kritik. Sie seien technisch von schlechter Qualität und gestalterisch oft Plagiate, bemängelte etwa der holländische Typo-Doyen Gerard Unger. Die Kritik trifft heute aber nur noch bedingt zu. Google konnte mittlerweile ein ansehnliches Arsenal von über tausend Schriftfamilien aufbauen, darunter auch echte Highlights wie Friedrich Althausens Vollkorn oder die Signika der polnischen Gestalterin Anna Giedryś.

Als zusätzliche Service-Anreicherung bietet Extensis noch seinen eigenen WebINK-Service an, über den Webfonts direkt aus Suitcase heraus gemietet werden können. Die WebINK-Fonts lassen sich zwar auch offline anwenden – allerdings nur für Web-Mockups im Photoshop.

Auch bei den Online-Diensten steht Monotype um nichts nach: Über die Monotype-Seite Fonts.com lassen sich Schriftlizenzen gleich im Explorer kaufen oder mieten. Der hauseigene Cloud-Dienst SkyFonts ist ebenfalls integriert in das Monotype-Tool. Dass man sich zuerst bei SkyFonts registrieren muss, um im Explorer auf die Google-Fonts zugreifen zu können, hinterlässt allerdings einen etwas schalen Nachgeschmack.

Leider bietet keines der beiden Tools eine Webshop-Einbindung für Dritte. Das populäre MyFonts oder Independent-Seiten müssen draußen bleiben.

Echte Web-Vorschau

Beide Programme bieten verschiedene Vorschau-Möglichkeiten. Neu bei Suitcase ist das „QuickComp“-Feature. Mit ihm lassen sich schnell zwei Fonts Seite an Seite in vorgefertigten Sample-Layouts vergleichen. Webdesigner können jetzt aber gleich eine Webseite in die Vorschau laden und die Fonts live auswechseln. Beide Apps haben einen Web-Browser eingebaut, in dem sich live die Schriften tauschen lassen. Explorer macht das wieder in einem separaten Fenster, Suitcase unmittelbar in seinem All-in-one-Interface. Kleines FontExplorer-Minus: In den Browser lässt sich keine lokale HTML-Datei laden, nur Online-Seiten werden akzeptiert. Die Offline-Arbeit wird also erschwert.

Freilich endet die automatische Aktivierung nicht, wenn das Haupt-Programm beendet wird. Suitcase installiert zu diesem Zweck einen Hintergrund-Prozess namens „FMCore“. Dieses unsichtbare Programm erwies sich im 4c-Test allerdings als wahrer Batteriefresser: Der Energieverbrauch war ums Dreifache gesteigert, sobald Suitcase am Laufen war. Für die mobile Anwendung empfiehlt sich Suitcase daher nur bedingt. Der Explorer dagegen verursachte im Test kein Akku-Problem.

Überhaupt hat das Monotype-Tool auf den ersten Blick die umfangreicheren Menüs auf Lager. Zum Beispiel kann der Explorer auch Schrift-Caches löschen und Dateien nach Fonts durchsuchen. Ein Font-Taschenmesser mit allen Schikanen also. Dafür ist Suitcase einfacher in der Handhabung, hat das besser aufgeräumte User-Interface und damit auch eine flachere Lernkurve. Aber auch die Wartungsfunktionen gibt es in der Extensis-Lösung: Sie sind nur in das separate Programm FontDoctor ausgelagert, das Suitcase-Käufer ohne Aufpreis dazubekommen.

Waffengleichheit

In ihrer Funktionalität sind die beiden Tools also nahezu ident: Viele Features, die dereinst einem der beiden vorbehalten waren, kann man jetzt in beiden finden. Von den Programm-Gruppen bis zu den abreißbaren Vorschauen herrscht mittlerweile weitgehend Waffengleichheit. Funktionale Unterschiede gibt es vor allem in den Details. Zum Beispiel kann der Explorer Font-Vorschaubilder nicht nur wie Suitcase per Drag-and-Drop auf den Schreibtisch bugsieren, sondern auch per Share-Button gleich auf Facebook, Flickr und Twitter teilen.

Wenn man vom Suitcase-Batterieproblem, dem Explorer-Offline-Problem und einigen Details in der Implementierung der Funktionen absieht, ist die Wahl für professionelle Schriftverwaltung also Geschmackssache geworden.

Rainer Erich Scheichelbauer

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100