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Lentikular

29.07.2013 11:16

Beschränkt beweglich

Flip, Morphing, 3D oder Zoom: Der Lentikulardruck bietet eine prall gefüllte Wundertüte an Effekten. Doch so bewegend die Effekte selbst sind, so unbeweglich ist der Markt. Was nicht alleine an der komplexen Technologie liegt.

Was nicht ist, das kann noch werden. Sagt man. Nur nicht im Lentikulardruck. Da begegnet der Printbuyer einem doch erstaunlichen Phänomen: dass sich einige Spezialisten die Nischentechnik seit Jahren aufteilen, neue Druckdienstleister aber kaum dazu kommen, die Lentikularprodukte anbieten würden. Heidelberg-Produktmanager Joachim Hüber erklärt das so: „„Es ist eigentlich nur dann interessant, wenn das notwendige Equipment zur Erstellung von Lentikularbogen bereits im Haus vorhanden ist. Dazu gehört die richtige Maschine, die richtige Ausstattung der Maschine und auch eine Vorstufe, die willens ist, einiges in die Wege zu leiten. Ganz wichtig ist auch ein aktives, funktionierendes Marketing. Ansonsten muss ein Druckdienstleister damit rechnen, dass er unter Umständen erst einmal eine Stange Geld investieren muss, bis er eine akzeptable Qualität liefern kann.“

15 Jahre Forschung

Ein Allrounder, der versucht, möglichst viele Dinge auszuprobieren, für den ist Lentikular zu teuer und zu aufwändig. Es wird immer jemanden geben, der aufgrund seiner Erfahrung garantiert billiger und besser produzieren kann. „Ich habe vor über 15 Jahren auf einer Messe in England die schönen Wackelbilder gesehen. Damals ist der Ansporn entstanden, das auch zu können. Und so haben wir mit unserem Vorstufenleiter praktisch per Hand die Lentikularaufbereitung bis zur Markteinführung betrieben. Ab 1998 haben wir uns immer wieder neuer Softwarepakete bedient, haben dann die CtP-Belichtung integriert und das ganze Paket Jahr für Jahr weiter optimiert“, erzählt Holger Vogt, Geschäftsführer von Vogt Foliendruck. „Im letzten Jahr haben wir dann alles noch einmal verbessert, so dass bei 3D-Bildern selbst sehr hochauflösende Details im Hintergrund zu erkennen sind. Der Hintergrund ist erheblich feiner geworden. Jetzt heißt es, weiter darauf aufzubauen.“

Dieser Weg zum Lentikularspezialisten ist für viele einfach zu weit, zu steinig, zu teuer. „Jeder, der sich einmal die Hände daran verbrannt hat, der langt nicht ein zweites Mal ins Feuer. Das gilt auch für den Käufer, etwa für Agenturen.“, so Produktmanager Hüber.

Für Agenturen und Markenartikler ist Lentikular in der Hauptsache ein Marketingtool. „Ein klassisches Mailing findet sehr häufig und sehr schnell den Weg vom Briefkasten zur Mülltonne. Wenn der Kunde es aber länger in der Hand hält, setzt er sich auch länger mit der Botschaft und mit der Marke, die beworben wird, auseinander. Das möchte der Werbetreibende erreichen. Ein Lentikular behält der Konsument nachweislich deutlich länger in den Händen. Er spielt damit. Das macht das ganze Produkt zu etwas Besonderem“, so Achim Weber, beim Druckdienstleister Weber Druck+Display in Bremen für das Marketing zuständig.

Weniger Produkte, mehr Erstaunen

Dieses Ziel erreicht Lentikulardruck aber nur, wenn eine Agentur oder ein werbetreibendes Unternehmen es dann verwendet, wenn alle anderen es nicht tun. Auch das erklärt das Nischendasein und die eher träge Pendelbewegung zwischen Angebot und Nachfrage. „Lentikular ist  ein Eyecatcher. Wenn ein Konsument im Duty Free Shop am Flughafen die Regale für Kosmetika entlangläuft und ihm dann irgendwo eine Verpackung wortwörtlich zuzwinkert, bleibt er sicherlich stehen. Passiert das aber bei jeder Verpackung, fühlt sich der Betrachter wohl eher etwas überfordert. Dann sticht das zwinkernde Produkt nicht mehr aus der Masse heraus“, so Joachim Hüber.

Insofern funktioniert Lentikular als Trend innerhalb der Werbebranche vielleicht nur eine Saison lang. „Das beobachten wir auch international“, fügt Joachim Hüber hinzu. „Da gibt es in einem Land irgendwo eine Anwendung. Dann ist es dort ein Hype, der sich vielleicht zwei, drei Jahre hält und dann wieder für ebenso viele Jahre in der Versenkung verschwindet.“

Nutzenverkennung

Dabei hat Lentikular mehr zu bieten als bloß Highlights zu setzen. „Die Kunden wünschen sich kein Lentikular, sie wünschen sich höhere Responsequoten. An dieser Stelle kann Lentikular enorm viel leisten, weil es an sich schon visuell differenziert. Das ist ein Grundwert“, sagt Olaf Hartmann, Chef der auf Haptik und Verkaufsförderung spezialisierten Agentur Touchmore.

„Einer unserer Kunden, ein großes Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, wollte einen Vorher-Nachher-Effekt darstellen. Vorher wurde dazu ein ganz normales Mailing verschickt. Damit waren die Responsequoten schon nicht schlecht, aber die Vorgaben wurden nicht erreicht. Mit Lentikular wurden die Vorgaben dagegen dann mehr als getoppt, was dazu geführt hat, dass man gleich noch ein zweites Mailing in ähnlich hoher Auflage verschickt hat“, erzählt Heike Klocke, Kundenberaterin beim Münchner Mailing-Spezialisten Göbel+Lenze.

Selbst bei militärischen Konflikten könnte Lentikulardruck mal ein Asset werden: „Im militärischen Bereich habe ich sogar schon topografische Karten als Anwendung gesehen“, sagt Joachim Hüber. „Der Soldat braucht nicht unbedingt ein Laptop mit in der Gegend herum zu schleppen. Es reicht eine Lentikularkarte. Sie kann kaum kaputt gehen, sie braucht keinen Strom, sie kann ruhig nass werden“. 

Kreative Hemmnisse

An der Technologie mangelt es beim Lentikulardruck selten, an der Fantasie der Kreativen jedoch schon. „Wechselbilder kennt jeder und deswegen werden Flip-Effekte von den Kreativen auch immer wieder genutzt“, so Olaf Hartmann von Touchmore. „Das große Potenzial des Lentikulars ist aber die Emotionalisierung. Prozesse und Funktionen lassen sich auch mit verschiedenen Abbildungen gut erklären. Was fehlt ist die Emotion. Das Lentikular fordert geradezu zum Spielen auf. Damit verändert es auch die psychologische Wahrnehmungssituation.“

Bei Lentikularen muss man interagieren, um die Effekte wahrzunehmen. Das fördert auch die Wahrnehmung der gesamten weiteren Kommunikation, der Effekt hat eine Transferleistung auf jene Teile eines Produktes, die gar nicht mit Lentikulartechnologie getunt sind. „Wir haben einmal anhand eines Prospektcovers gemessen, wie sich die Betrachtungszeit verändert, wenn Lentikulare verwendet werden. Wenig überraschend ist, dass das Lentikular-Cover fast viermal so lange betrachtet wurde wie das gleiche Cover ohne Lentikular. Viel Spannender war aber das Ergebnis, dass auch die Inhalte doppelt so lange betrachtet wurden. Das einmal gewonnene Interesse färbt sich auf alle weiteren Kommunikationsinhalte ab. Und genau diese Möglichkeiten werden noch zu selten genutzt“, erzählt Olaf Hartmann.

Finanzhindernisse

Lentikular ist ohnehin ein sehr vielfältiges Medium, auch wenn das angesichts der ewig wiederkehrenden Flip-Effekte vielleicht nicht so scheint. „Sie können mit einem Lentikular einen Spannungsbogen aufbauen, sie können eine Geschichte erzählen. Dagegen sind andere Druckveredelungen doch sehr einseitig“, erklärt Heike Klocke. Insofern ist der Kosten-Nutzen-Faktor der Wackelbilder gar nicht so schlecht. „Teuer ist es immer dann, wenn es keinen Erfolg bringt“, erklärt Holger Vogt. „Sehr gute Responsequoten beweisen die Feedbacks unserer Kunden. Wird Lentikular eingesetzt, erzielt man in der Regel auch eine wesentlich höhere zweistellige Responsequote. Außerdem gilt prinzipiell: Je mehr Veredelung im Papierbereich eingesetzt wird, umso teurer wird das Produkt. Damit sind Lentikularprodukte schon gleichwertig. Und man spart Porto, indem die Auflage etwas nach unten gefahren wird.“

Seit Mitte April gibt es sogar einen Webshop, bei dem 3D-Bilder und Wackeleffekte bestellt werden können. „Dahinter steht der gleiche qualitative Prozess. Dadurch dass der Kunde die Eingabe seiner Daten selbst übernimmt, brauchen wir nicht 100 Angebote zu machen, um zehn Aufträge zu bekommen. Wir sparen Verwaltungsarbeit und die Kosten reduzieren sich“, schildert Holger Vogt.

Printbuyer-Psychologie

Doch das Argument von der höheren Response-Quote, die eine niedrigere Auflage kompensiert, scheint manche Printbuyer psychologisch zu überfordern, sagt Achim Weber: „Wenn man für für das gleiche Geld 100.000 Papiermailings, aber vielleicht nur 5.000 Lentikularmailings bekommt, kann es schon sein, dass der Kunde auf die höhere Responsequote verzichtet, aber erst einmal mehr Menschen für das gleiche Geld erreicht“. Lentikular ist eben nicht nur wegen seiner Produktkomplexität, sondern auch in Bezug auf die Herstellungskosten ein hochwertiges Produkt.

„Wenn man Qualität möchte, ist der Bogenpreis immer noch relativ hoch“, gibt Joachim Hüber zu. „Mittlerweile kommt aber auch Material vor allem aus China, das den Preis drückt. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass dann die Erwartung an die Qualität nicht allzu hoch sein sollte. Die Druckerei muss nach wie vor einen relativ hohen Preis erzielen können, damit Lentikular attraktiv bleibt.“ Einer der treibenden Kostenfaktoren ist die Kunststofffolie, deren Kosten sich am Rohölpreis orientieren. „Wenn man auf das Medium Folie verzichten und trotzdem in irgendeiner Form diese Effekte kreieren könnte, ließe sich Lentikular nicht nur kostengünstiger, sondern auch flexibler gestalten. Denn in gewisser Weise ist und bleibt die Folie immer ein Kompromiss. Manchmal passt sie einfach nicht richtig in den Folder, in das Magazin oder auf die Verpackung“, sagt Hüber.

Diese anderen Lösungen gibt es schon. „Aus Japan kenne ich beispielsweise eine Variante, bei der die Linse über eine Siebdruck- oder Flexoanwendung in Punktform aufgebracht wird. Damit bekommt man zwar einen 3D-Effekt hin, allerdings nicht in der gleichen Qualität. Und dann kann man Lentikulareffekte partiell auch mit Prägetechnik erzeugen“, erklärt Joachim Hüber.

Teures Plastik

Wenn es nicht irgendwo doch noch eine Revolution geben wird, die es erlaubt, durch ein billigeres Substrat Lentikular günstiger zu produzieren, wird sich an der Verkapselung des Marktes, beschränkt auf wenige Dienstleister und wenige Anwendungen wenig ändern. „Es gibt eine ein paar Anbieter in Deutschland, die alle einen guten Job machen. Ich glaube nicht, dass sich noch viele dazu gesellen werden“ prognostiziert Achim Weber. „Umgekehrt nimmt die Nachfrage nach Printprodukten als solches nicht unbedingt zu. Ganz im Gegenteil. Wenn überhaupt, wird also die Nachfrage nach Lentikular auch stagnieren.“ Und das ist wirklich schade, denn die Lentikulare haben viel mehr zu bieten als der Markt zulässt.

Anja Schlimbach

(4c-Printausgabe 5/2013)

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