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Rüstzeiten

14.04.2014 17:39

Rüsten ohne Rast

Rüstzeiten messen Maschinenhersteller gerne in Minuten und kommunizieren regelmäßig neue Rekorde. Doch Onlinedrucker haben weitaus komplexere Anforderungen an die Jobwechsel-Fähigkeiten von Druckmaschinen.

Da werden die Onlinedrucker doch recht schmallippig. Die Tipps und Tricks der Rüstzeitoptimierung werden gehütet wie ein Schatz. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass im Onlinegeschäft Wohl und Wehe von Schnelligkeit und Effizienz abhängen.

„Wenn zehn Maschinen rund um die Uhr laufen und dabei vielleicht zwei Stunden an Rüstzeit verloren gehen, braucht es eigentlich eine weitere Maschine, um den Verlust auszugleichen. Und das sind keine billigen Maschinen. Im Offsetbereich reden wir an dieser Stelle von zwei Millionen Euro aufwärts. Die Rüstzeitoptimierung trägt natürlich zu einer besseren Ausnutzung bei, aber in erster Linie verschiebt sie notwendige Investitionen um Jahre. Das wird umso wichtiger, je größer der Maschinenpark ist“, so Peter Kolb, Geschäftsführer des österreichischen Onlinedruckers druck.at.

Rüstzeiten kann man am besten optimieren, in dem man den Gesamtablauf infrage stellt. „Die beste Rüstzeit ist die, die nicht anfällt. Die Frage muss also sein, was man tun kann, um die Rüstzeit generell zu vermeiden“, erklärt Ulrich Stetter, Geschäftsführer des Druckhauses Mainfranken, wohl besser bekannt unter dem Namen Flyeralarm. Es geht darum, die Prozessschritte in ihre vielen Details zu zerlegen und zu prüfen, was parallel ablaufen kann. So kann man erhebliche Einsparungen erreichen, teils durch Maschinentechnik, teils durch das Betrachten der notwendigen Tätigkeiten des Bedieners.

Maschinenkunst

Die gute Nachricht ist: Es ist noch Potenzial in der Offsettechnik. „Was sich hier über die letzten Jahre getan hat, ist immens, und wir sind insofern beruhigt, als wir noch nicht das Ende der Verbesserungsmöglichkeiten sehen“, so Ulrich Stetter. „Die Hersteller müssen aber auch verstehen, dass nicht die 20-Tausender-Maschine der Traum aller Drucker sein kann.“

Auf der anderen Seite muss der Druckunternehmer in seiner Kaufentscheidung mit in Betracht ziehen, dass der zuverlässige Betrieb über viele Jahre hinweg gewährleistet werden muss, die Ersatzteilversorgung gesichert ist und zuverlässige Monteure schnell wissen, wo sie hin greifen müssen. Die absolute Zuverlässigkeit sollte ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. „Der Druckunternehmer muss sich bewusst sein, dass er nicht eine Druckmaschine kaufen möchte, sondern am Markt verkaufbare Verfügbarkeit“, fügt Ulrich Stetter hinzu.

In der täglichen Produktion ist es nicht relevant, ob eine Maschine theoretisch den Rüstzyklus in 90 Sekunden, vier oder gar 15 Minuten vollbringen kann. „Wenn wir als Hersteller angeben, dass wir zum Beispiel einen Formwechsel in 90 Sekunden durchführen oder auch innerhalb von drei Minuten einen Gutbogen erreichen können, dann können wir das nur, weil wir die Drucker in unseren Demozentren mit dem nötigen Wissen, Können und der optimalen Vorbereitung der Druckjobs unterstützen. Um Ähnliches in einer täglich produzierenden Druckerei zu erreichen, bedarf es viel Ausdauer und eines umsichtigen Managements“, erklärt Michael Busch, Kundenbetreuer bei Manroland Sheetfed

Versprechungen

Die Aussagen der Hersteller müssen also im Grunde neu gewichtet werden. „Es ist ihr Job, viel zu versprechen. Da braucht man sich nichts vormachen. Würden alle Maschinen so funktionieren, wie es von der Industrie versprochen wurde, hätten wir alle ein sehr angenehmes Leben. Dem ist aber nicht so. Sehr viel an Arbeit, die wir täglich leisten, besteht daraus, die Defizite zu beheben, die wir von den Herstellern vorgesetzt bekommen“, erklärt Peter Kolb und führt aus: „Die Onlinedrucker drucken zwar viel, aber die Mehrzahl der Maschinen steht bei anderen. In Österreich gibt es vielleicht zwei, die professionell Onlinedruck betreiben. In Deutschland mag es sechs oder sieben geben. Das normale Business ist für Hersteller die Pflicht. Und die können sie gut erfüllen. Unsere Anforderungen als Onlinedrucker sind aber die Kür. Wir haben immens viele Aufträge, die für eine normale Druckerei gar nicht zu bewältigen wären.“

Für ein solches Druckvolumen sind die Maschinen deshalb in der Regel nicht gebaut und in den Labors auch nicht entwickelt worden. Stattdessen entwickelt man in Richtung der Druckereien, die ein oder zwei Maschinen haben und am Tag vielleicht dreißig Aufträge abarbeiten. „Wenn die Hersteller die Technologien und die Abläufe entwickeln müssten, um das Kundenklientel der Onlinedruckereien zu bedienen, würden sie das Geld für ein solches Projekt nicht zurückbekommen. Und so entwickelt jeder Onlinedrucker im eigenen Haus und optimiert die Abläufe genau auf seine Bedürfnisse und Schwerpunkte hin“, so Peter Kolb.

Workflow

Was dabei noch viel wichtiger ist, ist das, was vor und nach dem Druck geschieht: die optimale Abstimmung mit der Druckvorstufe und der Weiterverarbeitung. „Die Einbindung des Druckprozesses in einen automatisierten Workflow von Dateneingang über die Vorstufe, Weiterverarbeitung bis hin zum Versand ist essenziell für den Erfolg einer modernen Druckerei. Wir sind stolz, hier sehr weit zu sein. Ohne eine gute Produktionssteuerung hätten wir im Jahr 2013 wohl kaum mehrere tausend Aufträge am Tag verarbeiten und eine Gesamtauflage von etwa zwei Milliarden Drucksachen produzieren können “, erläutert Stefan Hagen, Experte für Produktionssteuerung bei den Onlineprinters.

Vor allem die Vorstufe ist ein Bereich, der sich für die Rüstzeitoptimierung anbietet. „Die Produktion muss und soll nach industriellen Richtlinien ausgerichtet sein. Entsprechend der Engpasstheorie bedeutet dies, dass die teuerste Maschine den Takt vorgibt. Alle Daten, die zur Maschine gehen, müssen perfekt sein. Die Reihenfolge der Drucke und auch die Reihenfolge der Materialien müssen optimiert sein“, erklärt Peter Kolb. „Man muss seine Hausaufgaben gemacht haben. Das bedeutet, sich mit Lean Management zu beschäftigen. Techniken, die angewandt werden, um die Autoproduktion zu verbessern, sind Kerntechnologien, die man durchaus auf den Onlinedruck umlegen kann.“

Die Leute, die den Workflow entwerfen, müssen die Materie genau verstehen. Es kommt nämlich wirklich darauf an, dass keine Verzögerung entsteht und Stabilität und Zuverlässigkeit aufseiten des Systems und des Programms gewährleistet sind. „Da darf man nicht schludern und nicht pfuschen. Programmteile müssen, wenn sie eigens programmiert werden, stabil sein und den echten Betrieb auch wirklich aushalten können“, ergänzt Peter Kolb.

Der Faktor Mensch

Mit der Technologie wandelt sich also auch die Rolle des Druckers. „Der Drucker war früher der aktive Arbeiter an der Maschine, hat Druckplatten gewechselt, Gummitücher gespannt und Farbe gespachtelt. Heute ist er der Operator, er muss zuerst einmal die Anlage überwachen, schauen, dass alles zusammenspielt. Dazu benötigt er mehr Fachwissen, er muss die Zusammenhänge kennen. Wenn zum Beispiel die Farbe Rot ohne Anlass hochregelt, dann sollte er wissen, dass eine Farbmesskamera verstaubt sein könnte und damit nicht mehr die richtige Farbe messen kann. Die Aufgabe des Menschen in diesem System hat sich somit sehr stark verändert“, erklärt Ulrich Stetter.

Es geht auch viel um die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Die modernen Druckmaschinen messen jede Sekunde Unmengen an Daten. Da muss genau entschieden werden, welche wichtig sind und welche nicht. Die beste Technik bringt demgemäß nichts, wenn nicht gut ausgebildetes Personal dahinter steht. „Deshalb setzen wir auf Fachkräfte und regelmäßige Fortbildungen. Zudem nehmen wir Vor-Ort-Schulungen von Maschinenherstellern und externen Dienstleistern wahr. Denn eins ist klar: Jede neue Maschinengeneration wandelt den Beruf des Druckers ein bisschen mehr“, so Stefan Hagen.

Die Maschine ist schließlich immer nur so produktiv, wie es der Benutzer zulässt. „Das ist in den meisten Fällen die Wahrheit. Ein deutlich gesteigerter Durchsatz an Aufträgen belastet das Personal an der Druckmaschine zusätzlich. Diesen Entwicklungen muss sich jeder Geschäftsführer stellen und seine Mitarbeiter mit Schulung und zusätzlicher Automatisierung unterstützen“, ergänzt Michael Busch.

Es ist immens wichtig, dass ein Mensch sich anschaut, ob auch wirklich alles funktioniert, was die Maschinen machen. Peter Kolb erklärt: „Probleme gibt es eigentlich immer irgendwo. Das gilt gerade für das Papier, das schließlich ein lebendiges Material ist. Deshalb braucht man eine Qualitätssicherung. Viele Prozesse kann man automatisieren. Die Kontrolle aber muss aufseiten der Menschen liegen.“

Anja Schlimbach

(4c Printausgabe 2/2014)

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