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30.12.2010 00:15

Mein iPad und ich

Warum die Printbranche mit dem iPad solche Schwierigkeiten hat. Und ich auch. Von Martin Schwarz

Die freundlichen Menschen von Apple haben mir ein iPad zu Verfügung gestellt. Seitdem liegt es da, das gute Stück, auf der Couch, meist unbenutzt, wie ich gestehen muss. Denn seit der vorübergehenden Inbesitznahme des Kleinen Schwarzen bricht sich beim Blick darauf pochend eine einzige Frage Bahn: Was fange ich nun bloß damit an?

Zur echten Produktivitätssteigerung erscheint das iPad zumindest nach den ersten Tagen dieser technologischen Zwangsehe nicht geeignet zu sein. Also durchbricht nur beiläufiger Medienkonsum die Distanz zwischen dem iPad und seinem Nutzer: lässig wird durchs Web gesurft, staunend etwa die iPad-Version amerikanische Einrichtungspostille „Martha Stewart Living“ virtuell durchgeblättert, die integrierten Videos der Zeitschrift betrachtet. Zwischendurch wird die eine oder andere Website einer Tageszeitung aufgerufen. Während die papierne Ausgabe daneben liegt.

Riepl hatte recht

Der Journalist und ehemalige Chefredakteur der Nürnberger Zeitung, Wolfgang Riepl, hatte schon in seiner 1913 erschinenen Dissertation die folgende These formuliert: „(...) die einfachsten Mittel, Formen und Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und für brauchbar befunden worden sind, auch von den vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder gänzlich und dauerhaft verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden können, sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.“ Die These besagt also, dass einmal etablierte Medien nicht mehr vollständig von neuen, vielleicht auch besseren und innovativeren Medien, vollständig ersetzt werden können.

Jetzt aber nicht mehr

Das iPad aber ist wohl die plastikgewordene Gegenthese zu Riepl und markiert vielleicht das Ende der Gültigkeit seines Gesetzes, auf dem sich Zeitungsmacher, Radiojournalisten und TV-Programmmacher seit nun beinahe 100 Jahren ausruhen konnten. Die Verengung der Kernfunktionalität des iPads und anderer, ähnlicher Geräte auf den Konsum von Medien, insbesondere den Konsum eigentlich gedruckter Medien, ist – Riepl hört es ja nicht mehr – dazu geeignet, eben jene gedruckten Medien zu verdrängen. Nichts anderes nämlich ist das iPad für die meisten seiner Nutzer als die Fortsetzung der gedruckten Zeitung mit anderen Mitteln. Insbesondere, wenn die tägliche Zeitung als App abrufbar ist.

 

Nichts anderes nämlich ist das iPad für die meisten seiner Nutzer als die Fortsetzung der gedruckten Zeitung mit anderen Mitteln. Insbesondere, wenn die tägliche Zeitung als App abrufbar ist.

 

Generationenkonflikt bei Murdochs

Es ist schon skurril. Während sein Vater Rupert Murdoch in New York 30 Millionen US-Dollar in den Aufbau einer nur am iPad verfügbaren Tageszeitung investiert und ab 17. Januar 80 Redakteure “The Daily” befüllen sollen, ist James Murdoch die Sachem it dem iPad gar nicht so geheuer: “„Das Problem mit den Apps ist, dass sie viel stärker die Printprodukte kannibalisieren als eine Internetseite. Die Menschen interagieren mit einer App sehr ähnlich wie mit einem traditionellen Produkt", sagte Murdoch kürzlich auf dem Monaco Media Forum. Immer noch macht Murdochs News Corp. mit Tageszeitungen wie dem Wall Street Journal in den USA oder der “Times” in Großbritannien gute Umsätze. Nun aber tüftelt der Vater daran, eben diese Produkte zumindest nach Einschätzung des Sohnes daran, diese gedruckten Umsatzbringer zu kannibalisieren. Schon dieser seltsame Generationenkonflikt kann als Indiz dafür herhalten, wie schwer sich die Printbranche mit dem iPad tut. Einerseits hofft man durch die kostenpflichtigen Apps von der Gratis-Unkultur des Webs wegzukommen, andererseits könnte das iPad so etwas wie die Sonnenanbeterin für die Printbranche sein: nach der technologischen Vermählung bleibt nur das iPad übrig.

 

Einerseits hofft man durch die kostenpflichtigen Apps von der Gratis-Unkultur des Webs wegzukommen, andererseits könnte das iPad so etwas wie die Sonnenanbeterin für die Printbranche sein: nach der technologischen Vermählung bleibt nur das iPad übrig.

 

Zumindest eine Studie scheint Murdoch, dem Jüngeren, recht zu geben: das amerikanische Reynolds Journalismus Institute hat 1.600 iPad-Besitzer nach deren Nutzungsverhalten befragt. 84 Prozent der Befragten gaben an, auf dem iPad regelmäßig Nachrichten zu lesen - fast die Hälfte sogar mindestens eine Stunde am Tag. Fast 60 Prozent hatten zum Zeitpunkt der Umfrage auch eine Zeitung abonniert. Allerdings berichteten drei von fünf Nutzern, die auf dem iPad täglich mindestens eine Stunde Nachrichten gelesen haben, ihr Print-Abonnement innerhalb der nächsten sechs Monate kündigen zu wollen. Ein Zehntel der Befragten hatte sein Zeitungsabonnement bereits vor dem Zeitpunkt der Umfrage zugunsten der Online-Nachrichten gekündigt.

Meine Beziehung mit dem iPad ist anders vorgezeichnet: in wenigen Tagen bekommen die freundlichen Menschen von Apple ihr Produkt wieder zurück. Das Abonnement der gedruckten Zeitung aber bleibt. Vorerst jedenfalls.