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Bibeldesign

15.09.2011 13:50

Jung für Jesus

Die Hamburger Designerin Eva Jung hat sich mit ihrer Basisbibel an einen schwierigen Stoff gewagt: das Neue Testament. Ihre optische Dramaturgie überwuchert den Inhalt aber erfreulicher Weise nicht. Das sehen auch die Juroren diverser Design-Preise so.

So unverhandelbar der Inhalt, so formbar und zeitgeistanfällig dessen Sprache. Das Neue Testament ist ein Stück Weltliteratur, dessen Botschaft 2.000 Jahre überdauert und das moralische Fundament für eine ganze Weltgegend geschaffen hat. Aber es ist auch ein Stück Weltliteratur, dessen Text und dessen Design in den letzten Jahren zum beliebten Experimentierfeld von Designern geworden ist. Erst im vergangenen Jahr ist der inhaltlich bekömmlichere Teil der Bibel als Magazin reinkarniert. Nun hat die Hamburger Designerin Eva Jung mit einem Team von Übersetzern die Basisbibel kreiert. Und die ist in ihrer Anmutung voll und ganz auf eine Generation zugeschnitten, für die Müßiggang verlorene Zeit und Lesen die Untätigkeit zwischen dem Aufruf zweier Webadressen ist. So kommt die Basisbibel großteils mit Sätzen aus, die nicht mehr als 16 Wörter und nur einen Nebensatz haben. Das entspricht nicht nur dem Aufbau des griechischen Originaltextes, sondern – aber darauf verweisen die Herausgeber von der Deutschen Bibelgesellschaft nicht – in etwa dem Satzmaß, an das sich Redakteure der “Bild“-Zeitung zu halten haben. „Jesus“, so wird die Basisbibel beworben, „sprach Aramäisch und nicht kryptisch“.

Zeilenzauber


Schöner noch für Menschen, die in einer Welt binär strukturierter Informationshappen aufgewachsen sind: jede Zeile der Basisbibel enthält nur eine Informationseinheit. Zweifellos: die Bibel hat schon mehr an Interpretation und Zeitgeist ertragen müssen. „Ich versuche, die Sprache der Christen durch mein Design aufzufrischen“, sagt Designerin Eva Jung. Behutsam will sie das getan, sich nicht darauf eingelassen haben, die Geschehnisse um Jesu Geburt herum in Palästina mit dem Tand der heutigen Zivilisation zu vermüllen. Denn auch das gibt es in so mancher Volksbibel: Kühlschränke, Autos und andere Erfindungen späterer Generationen. „Das hat das Neue Testament nicht verdient“, sagt Eva Jung über allzu mutige Interpretationen, bei denen dem Leser die 2000 Jahre lange Zeitreise erspart werden sollte. Nur eines hat Eva Jung bei ihrer – mittlerweile mit dem Red Dot Award, dem Goldenen Löwen in Cannes und anderen Designpreisen ausgezeichnete – Bibelinterpretation gemacht: „Ich habe versucht, zu vereinfachen. Das war auch der Auftrag“. Zu dieser Simplifizierung gehört auch, dass insgesamt 20 Seiten in das Buch eingeschossen sind, auf denen nur ein Wort steht. „Weihnachten“ zum Beispiel. Damit findet der Leser bedeutungsvolle Passagen wieder, in denen es eben um diese – in der Bibel natürlich nicht so genannten – Begrifflichkeiten geht.

Mehr im Web

In der Basisbibel wird auch erklärt, was heutige Generationen vielleicht nicht mehr wissen, was ihnen absurd vorkommen könnte; ohne aber den Originaltext zu überfrachten. Wenn Jesus von den Gläubigen als „Salz der Erde“ sprach, hat das nichts mit Würzigkeit zu tun. Salz wurde damals als Material zur Einlagerung und Konservierung von Lebensmitteln genutzt. Für solche Begriffserklärungen hat Eva Jung eine Randspalte in ihr Design eingebaut. „Dazu muss ich den Text nicht ändern, da tun es die Begriffserklärungen am Rande auch“. Und noch mehr: die Erklärungen können über ein ausgeklügeltes System an Webadressen im Buch auch ausführlicher auf basisbibel.de nachgelesen werden. Dass Jung im gedruckten Buch auf Blocksatz verzichtet und statt dessen den Flattersatz angewendet hat, macht das Lesen der elektronischen Version – auch auf dem iPad soll es die Basisbibel bald geben – komfortabler. „Die Inhalte in der Bibel müssen einfach entstaubt werden. Wir nennen uns zwar christliches Abendland, aber keiner weiß heute mehr, warum wir Pfingsten feiern“, erzählt Jung, der die Beschäftigung mit dem Stoff nicht ganz neu ist: vor etwas mehr als einem Jahr hat sie in der Schweiz die Neue Genfer Übersetzung des Neuen Testaments gestaltet – eine von rund 40 Übersetzungen der Bibel ins Deutsche. Im Style der berühmten Moleskine-Notizbücher. Natürlich mit Gummiband. „Eine Bibel ist ja ein Reisebegleiter wie ein Moleskine-Notizbuch. Also hat sich diese Form angeboten“, sagt Jung.

Mit Schleife

Die Basisbibel ist mittlerweile zum Designobjekt geworden, mehr als 30.000 Stück wurden bereits verkauft. „Es gibt Menschen, die gleich mehrere kaufen. Als Geschenk“, ist Jung beglückt. Und hat damit wohl auch gerechnet. Denn so unverhandelbar der Inhalt, so nah am griechischen Original die Sprache, so aufgemascherlt kommt die Basisbibel äußerlich daher: zum Verkauf kommt sie eingebettet in einer Kartonhülle, auswählbar in sechs frischen Farben und versehen mit einer effektvollen Schleife.
Am Anfang war das Wort. Die Angst scheint groß, dass das am Ende nicht mehr reicht. 

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